Der Bail-out von zwei italienischen Kreditinstituten zeigt deutlich, dass die Banken- und Steuerunion alles andere als direkt erreicht werden wird, argumentiert Oliver Judd.
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Am 25. Juni rettete die italienische Regierung die angeschlagenen Kreditinstitute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza mit Anlagen und Verbindlichkeiten, die sie zum Nominalbetrag an Intesa Sanpaolo, Italiens größter Bank, verkaufte. Damit setzte Rom rund 17 Mrd. Euro Steuergelder ein, um die schlechten Kredite der zwei Banken zu übernehmen und nicht nur Einleger, sondern auch vorrangige Anleihegläubiger vor Verlusten zu schützen.
Zwar sicherte sich Italien die Zustimmung der Europäischen Kommission, doch lässt sich die Schlussfolgerung kaum vermeiden, dass das für Bankenkrisen verantwortliche europäische Abwicklungsgremium SRB (Single Resolution Board) wohl durch seine erste große Prüfung gerasselt ist. Die Auflösung der venezianischen Banken hat angesichts der EU-Gesetze funktioniert, wie in der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) festgelegt ist.
Sie verlangt vom SRB „eine ordentliche Auflösung scheiternder Banken, mit minimaler Auswirkung auf die reale Wirtschaft, das Finanzsystem und die öffentlichen Finanzen der beteiligten Mitgliedsstaaten“. Das bedeutet, dass eines der Hauptziele der BRRD darin besteht, die Bail-out-Kosten für Banken von Steuerzahlern auf Aktionäre und Gläubiger zu übertragen.
Gesetzeslücke in Italien
Die italienische Regierung hat eine Gesetzeslücke entdeckt, die ihr - mit Zustimmung der EU-Kommission - gestattete, vorrangigen Anleihegläubigern nicht zu schaden. Rom argumentierte damit, dass das Scheitern der Banken die Wirtschaft in Venezien und womöglich darüber hinaus ruiniert hätte. Wie wohl abzusehen war, sorgte die Entscheidung für Zorn unter deutschen Politikern, die behaupteten, dass die freie Auslegung der Regeln, die sicherstellen sollten, dass Steuergelder nicht zur Abwendung von Bankenkrisen herangezogen werden, die Glaubwürdigkeit der Bankenunion zerstört hätte.
Es ist allerdings unklar, ob Italien eine realisierbare, alternative Handlungsmöglichkeit blieb. Wir tendieren dazu, Fabio Panetta, dem stellvertretenden Generaldirektor der italienischen Zentralbank, zuzustimmen, der den Umgang mit den Banken verteidigte und äußerte, dass dies die einzige Option war, einen Schock des italienischen Finanzsystems zu verhindern. Der Gedanke, dass Italiens Bankensystem, das manchen Schätzungen zufolge immer noch mit rund 325 Mrd. Euro schlechter Kredite1 belastet ist, in der Lage sein würde, sich selbst ohne öffentliche Eingriffe zu erholen, war unrealistisch. Es hat wohl niemand Interesse an einem angeschlagenen italienischen Bankensystem, auch Deutschland nicht. Abgesehen davon, wäre es gefährlich gewesen, die noch fragile wirtschaftliche Erholung Italiens irgendwie zu bedrohen.
Stimmt. In Italien wurde genau das Gegenteil unternommen als in Spanien. Dort wurde das scheiternde Kreditinstitut Banco Popular, etwas früher diesen Monat, von der größeren Gesellschaft Santander übernommen und das Geld spanischer Steuerzahler geschützt. Mit dem Unterschied, dass Santander ein williger Käufer war und Intesa nicht. Man hat den Kollaps der beiden italienischen Banken zugelassen, gute Anlagen von schlechten getrennt und sichergestellt, dass vorrangige Anleihegläubiger - viele davon Privatanleger - geschützt werden. Hört sich alles vernünftig an, auch wenn dadurch EU-Vorschriften missachtet wurden. Ist der Eingriff der Regierung nötig, um das System zu bereinigen und gute Anlagen aufzugeben, zurück an den Privatsektor, scheint es den Preis dafür wert zu sein.
Was die Argumente mehrerer deutscher Politiker betrifft, dass man vorrangige Anleihegläubiger hätte zwingen sollen, Verluste hinzunehmen, ist auch hier die Logik schwer nachvollziehbar. Einen großen Teil der Schulden in Italien halten Privatanleger. Zwar könnte man argumentieren, dass man ihnen von Anfang an nicht hätte gestatten sollen, diese Anleihen zu kaufen, aber Fakt ist, sie haben es getan.
Auswirkungen für Anleiheinvestoren
Für Anleger in Anleihen war das Ergebnis, trotz der unterschiedlichen Ansätze italienischer und spanischer Behörden, letztlich das gleiche: nachrangige Anleihegläubiger mussten Verluste hinnehmen, vorrangige Gläubiger blieben dagegen unberührt. Das war eine Überraschung, denn es widersprach dem neuen Gesetzestext, der davon ausgeht, dass alle Anleihegläubiger, ungeachtet des Rangs, betroffen sein könnten.
Es zeigt die fehlende Bereitschaft der Behörden auf, wirklich harte Maßnahmen gegen einen Teil von Investoren zu ergreifen, die Banken weiterhin brauchen werden, um steigende Kredite zu finanzieren. Das war gut für vorrangige ungesicherte Bankschulden im gesamten Sektor.
Wir sind jedoch beunruhigt darüber, dass die Preise in vielen Fällen zu stark angestiegen sind und die zugrundeliegenden Bedingungen nicht mehr widerspiegeln. Wir bevorzugen nach wie vor Anleihen von „nationalen Champions“ wie Intesa in Italien und BBVA und Santander in Spanien. Diese Banken versuchen als Gewinner aus dem Konsolidierungsprozess hervorzugehen, mit sauberen Anlagen, die zum Nominalwert übertragen werden, zum Vorteil der erwerbenden Banken, insbesondere in aufwärts strebenden inländischen Märkten.
Dagegen erscheinen vorrangige Schulden, von Kreditgebern in schwächeren finanziellen Positionen, insbesondere italienische, nun überbewertet. Da Italiens Banken immer noch viele notleidende Kredite führen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sie das Bankensystem so schnell in Ordnung bringen können wie das manche scheinbar vorwegnehmen. In der Zwischenzeit könnte es gut sein, dass Preise korrigiert werden, da bzw. wenn sich Investoren erneut auf grundlegende Faktoren konzentrieren, wie die Stärke der Kapitalgrundlage, die Qualität der Kredite, den Zugriff auf breitgefächerte Finanzierungsquellen sowie die Fähigkeit, konsistente Erträge zu generieren.
Was Darlehen mit niedrigerem Rating betrifft, ist es schwer nachvollziebar, warum sie ebenfalls angezogen haben. Die Ereignisse in Italien und Spanien bestätigten, dass nachrangige Darlehen bei Bankversagen gelöscht werden und Hoffnungen, dass diese Transaktionen ein Europa an der Schwelle zur Bereinigung seines Bankensystems signalisieren, scheinen äußerst optimistisch.
Investoren handeln womöglich überstürzt
Nach den politischen Entwicklungen dieses Jahr, insbesondere der Wahl des pro-europäischen Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten, herrscht viel Optimismus, dass die europäische Integration näher rückt. Investoren laufen jedoch unter Umständen Gefahr, überstürzt zu handeln.
Es ist schwierig, eine bessere Lösung für die Lage in Italien zu finden, und die Ereignisse vor Kurzem zeigen deutlich, wie viel mehr noch unternommen werden muss, um das europäische Bankensystem im Allgemeinen und besonders das italienische zu refinanzieren. Es ist dringend notwendig, mehr solcher faulen Kredite von Banken zu eliminieren.
Tatsächlich schien die Schaffung einer voll funktionsfähigen Bankenunion, nach den Vorgaben von Brüssel, noch nie einfach. Aber bis man Deutschland und anderen versichern kann, dass die Bankensysteme in Europa zu ihrer Zufriedenheit bereinigt sind, scheinen sie sich den Anstrengungen zu widersetzen, zu einer vollkommenen Banken- und damit Steuerunion zu schreiten.
Andererseits gab es auch ermutigende Stimmen aus Berlin, was die Aussichten auf eine engere Verflechtung der europäischen Steuerpolitik betrifft. Wolfgang Schäuble, der Finanzminister und Hardliner teilte dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel beispielsweise mit, dass es notwendig sei, einen Ausgleich zwischen reicheren und ärmeren EU-Staaten zu schaffen und dass „eine Gemeinschaft nicht bestehen kann, wenn der Stärkere keine Verantwortung für den Schwächeren übernimmt“.2 Aber wie immer mit Europa, ist es wichtig anzuerkennen, dass der Weg zu stärkerer Integration nach wie vor mit vielen Hindernissen gepflastert ist und nicht gerade verlaufen wird.
1 Quelle: Euromoney, Ende März 2017