Volatilität an den Aktienmärkten: Was steckt dahinter?

Obwohl die Gesamtvolatilität der großen Aktienindizes derzeit noch ungewöhnlich niedrig ist, baut sich die Ungewissheit an den Finanzmärkten langsam aber sicher wieder auf. Die Anleger sollten diese Entwicklung aufmerksam beobachten.

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Die Psychologie der Märkte ist unergründlich.  Offensichtliche Risiken wie die Bedrohung durch die Atommacht Nordkorea oder der allmähliche Abbau der umfassenden Konjunkturmaßnahmen durch die Zentralbanken werden in wenigen Minuten abgetan oder fließen wie etwa die geldpolitische Normalisierung kaum in die Berechnungen der Aktienmärkte ein. Hier stellt sich die wesentliche Frage, wie Märkte eigentlich funktionieren. „Es sieht so aus, als ob die Risikoscheu abgenommen hätte. Nach der Abstimmung über den Brexit im Jahr 2016 gaben die Märkte nach, erholten sich aber in 14 Tagen. Nach der Wahl von Donald Trump brauchten sie rund 12 Stunden und nach der gescheiterten Volksabstimmung in Italien gerade mal 10 Stunden“, so Trevor Leydon, Head of Investment Risk and Portfolio Construction, Aviva Investors.

Politische Risiken dürften also die Begeisterung für Aktien nicht dämpfen. Doch haben die Märkte Schwierigkeiten, mit den neuen Realitäten fertigzuwerden. „Wo Populismus, Nationalismus und Protektionismus Anhänger gewinnen, steigt wohl auch die Gefahr, dass die Nationen auf wirtschaftlicher, politischer oder militärischer Ebene nicht mehr zusammenarbeiten wollen. Aber als Gruppe hatten die Anleger noch nicht genügend Zeit, um diese neuen Dynamik zu verstehen.“

Zudem ist es schwierig, die Tail Risks genau abzugrenzen und zu bewerten. „Wir sind nicht so programmiert, dass wir an Dinge denken, die sehr selten sind“, erklärt Professor Howard Kunreuther der Universität Pennsylvania. „Wir lernen nur aus Aufgaben und Entscheidungen im Alltag.“ Ereignisse, die vielleicht nie oder nur selten eintreffen oder deren Feedback-Loops das Ausmaß der Auswirkungen überraschend vergrößern können, werden bei der Analyse eher an den Rand gedrängt.[1]

Es geht (immer noch) um Liquidität

Die Liquiditätsschwemme infolge der quantitativen Lockerung fördert vor allem die Finanzmärkte. Die Zentralbanken auf der ganzen Welt kauften Anfang 2017[2] Wertpapiere in Höhe von ca. 1,5 Billionen USD. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung dürfte die Gesamtbilanzsumme der Notenbanken in den USA, Großbritannien und dem Euroraum auch 2018 wachsen. Der Aktivismus der Zentralbanken – der die langfristigen Finanzierungskosten und die Renditen der Staatsanleihen drückt – trägt zu einem generell stabilen makroökonomischen Umfeld bei und dämpft die Volatilität an den Aktienmärkten.

„2017 sank die durchschnittliche jährliche 60-Tage-Volatilität des S&P500 auf den niedrigsten Stand seit 1965“, meint Ben Maynard, Head of Derivative Strategy at Aviva Investors. „Eine ähnlich geringe Volatilität wurde auch bei anderen Aktienindizes beobachtet, obwohl das Niveau nicht so extrem ausfiel. Der Nikkei und der Eurostoxx verzeichneten eine Volatilität, die auf dem Stand vor der Finanzkrise 2008 lag. Die verzeichnete Volatilität des MSCI Emerging Markets nähert sich ebenfalls ihrem letzten zyklischen Tief von 1996.“  

Diese Zahlen verschleiern eine breite Streuung der Renditen auf Aktienebene und häufigere Volatilitätsspitzen innerhalb eines Handelstages[3] – aber die langfristigeren Schwankungen auf Indexebene sind wirklich sehr niedrig.   

Alles ruhig? An den Aktienmärkten verzeichnete Volatilität (1988–2017)

Durchschnittliche jährliche verzeichnete 60-Tage-Volatilität

Chart - Average annual 60-day realized volatility

Risiken in einer bipolaren Welt

Das aktuelle Umfeld, das durch hohe Liquidität gekennzeichnet ist, bedeutet jedoch nicht, dass es keine Risiken gibt. „Die Weltwirtschaft ist derzeit bipolar, d. h. es gibt eine sehr kurze Entfernung (im Raum der Volatilität) zwischen dem aktuellen Umfeld (gute Dynamik, niedriger Volatilität, hohe Spekulation) und einer weltweiten Rezession aufgrund eines als sehr hoch wahrgenommenen Risikos“,[4] meinen Professor Ricardo Caballero und Porfessor Alp Simsek vom MIT.

Ihres Erachtens könnte es am ehesten durch eine geopolitische Krise zu einer solchen Spitze kommen. Sie unterstreichen, dass andere Länder weniger Instrumente besitzen, mit denen sie auf Krisen reagieren können, wenn die Zinsen bereits niedrig sind und das immer steilere Einkommensgefälle die Konsumneigung drückt. Das gegenwärtige Risiko kann schwierig einzuschätzen sein, weil die politischen Ereignisse die Märkte bisher noch nicht destabilisiert haben und sich die makroökonomischen Bedingungen nach wie vor verbessern.[5]

Bye-bye Liquidität, hallo Volatilität?

Wenn die Geopolitik die Volatilität nicht ankurbelt, dann kann es vielleicht die geldpolitische Normalisierung. In den USA steigen die Zinsen wieder. Vor dem Jahresende ist ein weiterer Zinsschritt zu erwarten.[6]

„Die Anleger haben sich daran gewöhnt, dass die Zentralbanken am Markt agieren. Wenn wir einen Verlust von 10% bei Aktien verzeichneten, würden die Investoren wohl ganz einfach erwarten, dass die Zentralbanken wieder einen moderateren Ton anschlagen“, erklärt Ahmed Behdenna, Senior Multi-Asset Strategist, Aviva Investors. „Da sich die lockeren Zeiten jetzt jedoch dem Ende neigen, sind Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen keine Alternative mehr.“

Noch dazu sind die Märkte bereits großzügig bewertet. Die US-Aktien handeln auf einem Niveau, vor dessen „unvernünftigem Überschwang“ Alan Greenspan vor knapp zwanzig Jahren warnte.[7] Dem Präsidenten der Federal Reserve Bank von San Francisco zufolge wird der Markt mit „Rauch angetrieben“.[8] Im dritten Quartal veröffentlichten weitere Unternehmen im S&P Gewinnwarnungen.[9] Die Unternehmen, die das Niedrigzinsumfeld nutzten, um Aktienrückkäufe zu finanzieren oder ganz einfach eine Dividende auszuschütten, könnten unter den Zinserhöhungen leiden.   

Diese Risiken scheinen derzeit in einigen Allokationen nicht vollständig berücksichtigt zu sein. „Am Aktienhimmel ziehen noch keine Wolken auf“, meint Charlie Diebel, Head of Rates bei Aviva Investors. „Gerade hier könnte das Risiko für die Märkte liegen, weil eine lang anhaltende Risikoscheu im Widerspruch zu der latenten Positionierung am Markt stehen könnte.“

Nun beginnt die US-Notenbank als erste, die aufgeblähte Bilanz wieder zu straffen.[10] Der Erlös der Anleihen wird bei Fälligkeit nicht mehr reinvestiert. Ziel ist es, den Prozess langsam und vorsehbar zu gestalten – so wie „Farbe, die an der Wand trocknet“.[11]

Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Bank of Japan (BoJ) werden diese Entwicklung genau verfolgen, weil auch sie Ausstiegsszenarien aus der quantitativen Lockerung festlegen müssen. In Japan könnte der Ausstieg besonders schwierig sein, da die Zentralbank seit 2010 im Rahmen der quantitativen Lockerung auch Aktien über börsengehandelte Fonds (ETFs) erwirbt.[12] In den meisten Ländern beschränkten sie die Wertpapierkäufe auf Anleihen.

Mit rund 6 Billionen Yen, die jährlich in japanische ETFs investiert wurden, trug die BoJ gewiss dazu bei, die Volatilität zu dämpfen, da sie vor allem bei Abschwüngen eingriff.[13] Obwohl auf die von ihr gehaltenen Papiere kein übertriebener Anteil der gesamten japanischen Aktienmarktkapitalisierung entfällt , gehört die Bank wohl zu den zehn größten Aktionären der meisten im Nikkei-225 vertretenen Titel.[14] Als bedeutender Aktieninhaber unterscheidet sich die BoJ klar von den übrigen großen Zentralbanken.

Bei höherer Volatilität investieren  

Angesichts dieser Komplexität ist Leydon der Ansicht, dass die aktuellen Messungen der Volatilität nicht das wahre Niveau der Ungewissheit an den Finanzmärkten widergeben. „Wenn eine Option ein Maßstab für Angst ist, signalisieren die Märkte heute, dass es kaum Risiken gibt“, erläutert er. „Wenn wir jedoch die Anleger individuell zu den Risiken befragen, die sie in den nächsten sechs bis zwölf Monaten erwarten, könnten sie größere Besorgnis ausdrücken. Wir wissen aufgrund der Risikomodelle und der technischen Analyse, dass die Trendwende wahrscheinlich eintritt, wenn die Volatilität natürlich steigt.“

Dieser Faktor muss bei einer Anlage berücksichtigt werden. Obwohl höhere Inflation nicht direktional ist – sie deutet nicht unbedingt darauf, dass die Wertpapierkurse nach oben oder nach unten tendieren – würde sie die Anleger zwingen, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Während die Volatilität aus Strukturgründen niedrig war, machte sich eine Stimmung breit, die Anlagen in einige esoterische Marktsegmente mit höheren Renditen förderte. Ein sprunghafter Anstieg der Volatilität könnte einen Ausstieg aus den Anlageklassen erfordern, die in der alten Welt von Bernanke in einem Portfolio noch Sinn machten. Die Anleger sollten dies beherzigen.



Verweise

University of Pennsylvania. A framework for risk management of extreme events. Howard Kunreuther. 2010

2 Bank of America Merrill Lynch. 9. Juni 2017

3 Economic Policy Uncertainty Index. Zusammenfassung der Ergebnisse. Die tägliche Schwankung des Werts des S&P 500 Index (+/- 2,5% oder mehr) stieg gegenüber dem Durchschnitt seit 1980. 26. September 2017

4 Risk intolerance in the global economy: A new macroeconomic framework. Ricardo Caballero und Alp Simsek. 30. August 2017

5 Internationaler Währungsfonds. World Economic Outlook Update. Juli 2017

Bloomberg. Fed maintains rates, maintains forecast for one more hike. 14. Juni 2017

7 Bloomberg. Some Fed members are getting worried about stock valuations. 6. April 2017

8 Reuters. US stock market ‘running on fumes’, Fed policymaker says. 27. Juni 2017

9 Factset Earnings Insight. 11. August 2017

10 Bloomberg. Can the Fed unwind without unnerving markets? 20. September 2017

11 Bloomberg. Fed eyes tame balance sheet taper after tantrum error. 20. September 2017. Patrick Harker, Präsident der Phildelphia Fed.

12 Bloomberg. Japan's Central Bank Is Distorting the Market, Bourse Chief Says. 19. Juli 2017

13 Bloomberg. What Should the BOJ Do About Its Towering ETF Pile? Nothing. 12. April 2017

14 Bloomberg. Japan’s ETF shopping spree is becoming a worry. 17. Juli 2017

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