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Trendwende in der Politik der US-Notenbank. Renditen der Staatsanleihen im Aufwärtstrend. Marktvolatilität sprunghaft angestiegen. Vor fünf Jahren kündigte die US-Notenbank Fed an, sie würde ihre Anleihekäufe langsam drosseln, und löste damit das sogenannte Taper Tantrum aus. Besonders die Schwellenländer hatten in dieser turbulenten Zeit unter hohen Kapitalabflüssen zu leiden.
Im Februar 2018 hatten viele Anleger den unangenehmen Eindruck, diese Situation schon einmal erlebt zu haben. Angesichts der sich abzeichnenden Spannung am US-Arbeitsmarkt wurde vermutet, der neue Fed-Vorsitzende Jerome Powell könnte die Leitzinsen unerwartet schnell anziehen. Die internationalen Aktienmärkte brachen ein, während die Anleiherenditen in vielen Ländern in die Höhe schnellten. Wie vor fünf Jahren.
Diesmal reagierten die Schwellenländer jedoch zurückhaltender. Trotz des kurzen Ausverkaufs der Titel im MSCI Emerging Markets Index wurde der Anstieg der Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen um 48 Basispunkte zwischen dem 1. Januar und dem 22. Februar von den Spreads der Schwellenländeranleihen aufgenommen. Die relative Ruhe an den Anleihenmärkten der Schwellenländer ist zum Teil der makroökonomischen Erholung zuzuschreiben, kann aber auch auf die neue Widerstandskraft der Anlageklasse deuten.
Bessere Fundamentaldaten
Wir haben fast vergessen, wie weit die Schwellenländer seit den Turbulenzen in den 1990ern gekommen sind. Nehmen wir zum Beispiel die mexikanische Schuldenkrise im Jahr 1994, als die lateinamerikanischen Länder infolge der Zinserhöhung in den USA ihre auf US-Dollar lautenden Anleihen nicht mehr bedienen konnten. Drei Jahre später beschloss Thailand, die Bindung an den US-Dollar aufzugeben. Die darauffolgende plötzliche Abwertung der thailändischen Baht löste die asiatische Finanzkrise aus. Ihr zugrunde lagen die Instabilität der Währungen der Region und die hohen Devisenbilanzdefizite in vielen asiatischen Staaten.
In den folgenden zehn Jahren machten die Schwellenländer große Fortschritte, sanierten ihre Haushaltsbilanz und steuerten ihre Währungspolitik mit größerem Geschick. 2013 waren viele Anleger davon überzeugt, dass die größeren Schwellenländer nicht mehr unter den Entscheidungen der US-Notenbank leiden könnten. Wie das Taper Tantrum bewies, hatten sie unrecht. Die Schwellenländer beklagten hohe Kapitalabflüsse, während die Staatsanleihen der Region in dem Jahr -5,25 Prozent rentierten.1
Seit den Turbulenzen im Jahr 2013 hat sich jedoch sowohl die Markttiefe als auch die Liquidität in den Schwellenländern deutlich erholt. Die Fundamentaldaten haben sich verbessert, das Schulden-BIP-Verhältnis ist relativ niedrig und das BIP wächst schneller als in den Industriestaaten (siehe Grafik). Differenzen zwischen dem BIP-Wachstum werden meistens von höheren Portfoliozuflüssen und ausländischen Direktinvestitionen begleitet, die das künftige Wachstum unterstützen sollten.
Viele Schwellenländer haben auch ihre Leistungsbilanz saniert und die Inflation in den Griff bekommen. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge sank die Durchschnittsinflation in den Schwellen- und Industrieländern von 13 Prozent im Jahr 1999 auf rund 4,2 Prozent im Oktober 2017.2
Die Zentralbanken in Kolumbien, Indonesien, Russland und Indien konnten in den letzten Jahren die Leitzinsen senken, um das Wachstum anzukurbeln. Die „fragilen 5“, d.h. Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei, die im Rahmen des Taper Tantrum besonders gelitten hatten, konnten seitdem ihre Leistungsbilanzdefizite reduzieren. Nur die Türkei, deren Defizit letztes Jahr anstieg, verdient noch die Bezeichnung „fragil“.
Schwellenländer: Leistungsbilanz (% BIP)

BIP-Wachstum: Industriestaaten ggü. Schwellenländer (%)

Reifere Märkte
Das bedeutet jedoch nicht, dass Schwellenländer heute gegen die Auswirkungen der politischen Wenden in den Industriestaaten gewappnet sind. Die robuste Entwicklung der Schwellenländeranleihen Anfang 2018 ist zum Teil dem synchronisierten Wachstum der Weltwirtschaft zu verdanken (während 2013 die Erholung noch sehr schwach war). Es bleibt abzuwarten, wie die Schwellenländeranleihen auf einen steileren und plötzlicheren Anstieg der US-Leitzinsen reagieren. Zudem besteht das Risiko, dass eine plötzliche Trendwende der börsennotierten Fonds (ETFs) mit dem Fokus auf Schwellenländern – deren Zahl seit dem Taper Tantrum rasant gewachsen ist – die Volatilität anheizt.
Dennoch gibt es kaum Zweifel daran, dass die Schwellenländeranleihen heute widerstandsfähiger sind. Die Währungen der Region sind nicht mehr so überbewertet, wie sie es vor fünf Jahren waren. Ebenfalls positiv zu deuten ist die Tatsache, dass in den letzten Jahren immer mehr Anleihen in Lokalwährung begeben wurden.
Mehr Emissionen in Lokalwährung bedeuten, dass mehr inländische Anleger in diese Titel investieren und damit sicherstellen, dass diese Märkte weniger unter den unberechenbaren Launen der internationalen Kapitalflüsse leiden. Die Anleihenmärkte in Kolumbien, Peru und Chile werden beispielsweise von der kräftigen Nachfrage der lokalen Pensionsfonds gestützt, die aus gesetzlichen Gründen in inländische Anleihen investieren müssen. Die lokalen Anleger fördern auch die Liquidität in Russland, dem Nahen Osten und Ostasien.
Nicht nur staatliche Emittenten sind heute besser in Form als 2013, sondern auch Unternehmen. Die Ausfallrate der Schwellenländeranleihen sank 2017 auf ein Rekordtief von 2 Prozent. Die Zahl sollte dieses Jahr kaum höher liegen. Robuste Bilanzen, d.h. geringer Verschuldung und hohe liquide Mittel, bedeuten, dass sich die Ängste der Investoren bezüglich der Emissionen in Fremdwährungen nicht bewahrheitet haben.
Investmentausblick
Welche Strategien würden am besten zu dem erfreulicheren Ausblick der Schwellenländeranleihen passen? Nach einem robusten Jahr für Gesamtrenditen dürften direktionale Strategien nicht mehr so rentabel sein. Wir rechnen damit, dass die Korrelationen 2018 in den Staats- und Unternehmensanleihemärkten zusammenbrechen.
Obwohl die Schwellenländeranleihen weniger deutlich auf eine Normalisierung der US-Geldpolitik reagieren sollten, dürften die Anleger andere makroökonomische und politische Risiken nicht aus den Augen lassen. Eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft – die angesichts des anhaltenden Kampfes gegen die galoppierenden Staatsschulden wahrscheinlich ist – könnte Auswirkungen auf andere Schwellenländer haben. Auch das politische Risiko ist zu berücksichtigen. 2018 stehen in 27 Schwellen- oder Frontier-Ländern Wahlen an. In Brasilien und Mexiko, zwei der größten Volkswirtschaften der Region, könnten die populistischen Kandidaten als Sieger hervorgehen.
Anderweitig verbessert sich die politische Lage. Unter dem neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa, der die Korruption bekämpfen will, haben sich die Aussichten Südafrikas aufgehellt. In Indien geht Narendra Modis Reformprogramm rasch voran. Beide Länder haben noch Spielraum für weitere haushalts- und wirtschaftspolitische Reformen und beide Länder könnten Investoren attraktive Anlagen in Lokalwährung bieten.
Was Chancen in Hartwährungen betrifft, empfehlen wir, abseits der ausgetretenen Pfade zu suchen. Frontier-Länder mit fähigen Administrationen, insbesondere jene, deren Reformprogramme vom IWF unterstützt werden, können Staatsanleiheinvestoren interessante Möglichkeiten versprechen. Zentralamerika (El Salvador), die Karibik (Jamaica) und Subsahara-Afrika (Angola und Ghana) wirken besonders attraktiv, obwohl Investments in diese Märkte unbedingt gute Kenntnisse der Lage vor Ort voraussetzen.
Quellenangaben
1 Gemäß JP Morgan EMBI Global Diversified Index
2 Siehe „Emerging markets have become more resilient“, The Economist, Oktober 2017