Während die Coronavirus-Pandemie die Weltwirtschaft erschüttert, untersucht Giles Parkinson die Auswirkungen auf die Aktienmärkte und die längerfristigen Folgen für Anleger.
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Die COVID-19-Krise hat alle Anlageklassen getroffen; auch die globalen Aktien blieben nicht verschont. Langfristig hängen die Aktienmarktrenditen von den realisierten und erwarteten Gewinnen ab, die eng mit dem Wirtschaftswachstum verknüpft sind. In dieser Fragerunde erörtert Giles Parkinson, Fondsmanager, Global Equities bei Aviva Investors die branchenübergreifenden Auswirkungen der Krise.
Welche Sektoren wurden bisher am stärksten von der Krise getroffen?
Anleger haben ein gutes Gespür dafür, die in der Krise besonders robusten Unternehmen auszuwählen . Jede Rezession ist anders: In diesem Abschwung haben Aktien von Unternehmen der Reise- und Freizeitbranche außergewöhnlich schlecht abgeschnitten. Hinzu kommen die Verwerfungen des Rohölmarktes. Neben dem Überangebot von Schieferöl hat der Ölmarkt nun auch ein Nachfrageproblem, da eine geringere Reiseaktivität einen geringeren Energieverbrauch bedeutet. Die Anleger beginnen nun auch, sich mit den Auswirkungen auf die jeweiligen Lieferketten zu befassen.
Welche Sektoren haben sich als widerstandsfähiger erwiesen?
Technologieunternehmen haben überdurchschnittlich abgeschnitten – weniger die Chiphersteller, sondern eher Cloud-Softwareunternehmen mit scheinbar regelmässigen Umsätzen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit ihre Einnahmen letztlich durch geringere Unternehmensbudgets beeinträchtigt werden.
Basiskonsumgüter haben sich im Allgemeinen ebenfalls als widerstandsfähig erwiesen, aber auch hier gibt es Unterschiede. Einige Segmente, die in einem Abschwung normalerweise gut abschneiden, sind von den spezifischen Merkmalen des COVID-19-Lockdowns betroffen.
Sollten Anleger den Zustand der Unternehmensbilanzen prüfen, um festzustellen, ob die Unternehmen den Abschwung überstehen werden?
Dafür ist es zu spät. Anleger können anhand von zwei Fragen feststellen, wie sich eine Aktie in den letzten zwei Monaten entwickelt hat. Erstens: „Inwieweit waren die täglichen Einnahmen des Unternehmens während des Lockdowns betroffen?“ Zweitens: „Wie sieht ihre Bilanz aus?“ Wenn ein Unternehmen eine hohe Verschuldung aufweist – vor allem zusätzliche Vertragsklauseln, die den Verschuldungsgrad betreffen – und seine Einnahmen fast auf Null gesunken sind, dann hat sich sein Eigenkapital extrem schlecht entwickelt.
Die Krise bringt Aktienanleger zum Vorschein, die lediglich Gewinn- und Verlustrechnungen lesen können. Sie müssen aber in der Lage sein, eine Bilanz zu lesen, um die Stärke eines Unternehmens in Zeiten wie diesen zu ermitteln.
Die Unternehmensführung sowie unternehmerisches Verhalten in der Krise rücken verstärkt in den Mittelpunkt. Beobachten Sie diese zwei Aspekte angesichts des Reputationsrisikos für Unternehmen, die sich derzeit unverantwortlich verhalten?
Ja. Quantitative Faktoren werden häufig in eine Bloomberg-Tabelle verfrachtet und dann schnell durch Arbitrage ausgeglichen. Die Beurteilung qualitativer Kennzahlen, z. B. das Unternehmensverhalten, ist schwieriger und daher aber aussagekräftiger für die Einschätzung des Firmenwertes.
Einige Führungskräfte von Unternehmen haben während der Krise eine Gehaltskürzung versprochen. Das ist ein interessanter Trend. Andere haben die Unterstützung für ihre Kunden und Lieferanten verstärkt. Die Auswirkungen hiervon können über die Pandemie hinaus andauern.
Wie sieht es mit anderen längerfristigen Auswirkungen der Pandemie aus?
Die Vorhersage längerfristiger thematischer Entwicklungen ist bekanntlich schwierig. Meiner Meinung nach ist es oft einfacher, sich umgekehrt zu fragen: „Was wird sich nicht ändern?“ Ich denke man kann diese Frage selbst besser beantworten und um diese Antworten herum eine stärkere Investmentthese aufbauen.
Eine Sache, die sich nicht ändern wird, ist zum Beispiel das Verschwinden von physischem Bargeld und Schecks im Verhältnis zu elektronischen Zahlungsmitteln wie Giro- und Kreditkarten.