Sollten Multi-Asset Anleger den traditionellen "Top-down"-Ansatz überdenken? Die Zeit scheint reif zu sein für einen Perspektivwechsel. Eine detaillierte „Bottom-up“-Strategie kann mehr Sicherheit bei regelmäßigen Erträgen bringen. Zudem kann sie dazu beitragen, dass sich Anleger weniger vor kurzfristigen Schwankungen fürchten, sagt Francois de Bruin.
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Perspektive ist alles.
Die Erde ist klein. Für Astronomen ist sie nur ein Staubkorn. Von der Sonne ist die Erde rund einhundertfünfzig Millionen Kilometer entfernt. Wenn dieser Abstand der Dicke eines Blattes Papier entspräche, wäre der nächsten Stern – Alpha Centauri – einen über 20 Meter hohen Papierstapel weit weg. Wollten wir die ganze Milchstraße durchqueren, wäre der Papierstapel schon fünfhundert Kilometer hoch. Und die Milchstraße ist nur unsere Galaxie. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass es im sichtbaren Universum über einhundert Milliarden Galaxien gibt.
Multi-Asset Anleger haben die Welt traditionell von oben betrachtet, aus einer Höhe von 18 Kilometern. Aus dieser Perspektive haben sie auch ihre Portfolios zusammengestellt. Doch frei nach Abraham Maslow besteht die Gefahr, dass „für einen Mann mit einem Hammer alles wie ein Nagel aussieht“. Fakt ist jedoch: Nicht jedes Problem lässt sich auf die gleiche Weise und mit den gleichen Werkzeugen lösen. Oftmals sind unterschiedliche Ansätze und Perspektiven gefragt.
Bei absolut und relativ niedrigen Gesamtrenditen waren viele auf regelmäßige Erträge ausgerichtete Multi-Asset Fonds gezwungen, weniger auszuschütten oder auf die eine oder andere Art die Substanz anzugreifen. Für Investoren jedoch, die Income-Portfolios von unten nach oben aufbauen, sieht die Welt ganz anders aus. Das Problem ist dann nicht, wo man attraktive Renditen findet, sondern welche der vielen Möglichkeiten man wählt. Es bedeutet, sich von breiten „Körben“ wie dem S&P hin zu dem zu bewegen, was den Markt ausmacht: den Aussichten einzelner Unternehmen und den Treibern wirtschaftlicher Entwicklung. Und dann braucht man die Disziplin, auf dem Weg zu regelmäßigen Erträgen nicht einfach nur hohen Renditen nachzujagen, sondern die langfristigen Rendite- und Nachhaltigkeitsperspektiven jedes Wertpapiers zu berücksichtigen.
Dasselbe gilt für Risiken und wie wir sie wahrnehmen. Mit jeder Anlageentscheidung bringt man eine Meinung über die potenziellen Risiken zum Ausdruck. Doch wer das Risiko in den Griff bekommen möchte, muss sich einigen fairen Fragen stellen. Wer weiß beispielsweise schon, wohin die Spannungen zwischen den großen Handelsnationen führen? Oder wie sich die politische Lage am Persischen Golf oder die Geldpolitik in der Eurozone auswirken? Und was bedeutet das für alle, die ihren Ruhestand finanzieren möchten – einen Ruhestand, der Jahre oder Jahrzehnte dauern könnte?
Eine Option ist es, sich auf das zu konzentrieren, was sich kontrollieren lässt. Das bedeutet immer noch, weltweit nach den besten Vermögenswerten zu suchen: mit dem Potenzial für nachhaltige Erträge, die schneller wachsen als die Inflation. Wenn sich zudem die „Sparbüchse“ soweit gefüllt hat, dass die damit erzielbaren Erträge für den Anleger „genügen“, muss dieser nie mehr Vermögenswerte zu ungünstigen Zeiten verkaufen. Dann sollte eigentlich kein Grund mehr bestehen, fallende Märkte zu fürchten.
Durch eine solche Betrachtung von unten nach oben kann der Diversifikationsbeitrag jedes einzelnen Vermögenswertes bewertet werden. Die Korrelationen auf der Ebene einzelner Titel zu entschlüsseln kann die Diversifikation zu einer wichtigen Quelle des Risikomanagements machen. Nehmen Sie beispielsweise Investoren, die sich sorgfältig im Data Warehousing oder in der „Letzte Meile“-Logistik positionieren. Deren Ertragsaussichten unterscheiden sich deutlich von Anlegern, die in wenig aufregende Einzelhandelsstandorte mit sinkender Frequenz investieren.
Eine weitere Aufteilung der Ertragsquellen in Anlageklassen ist ebenfalls sinnvoll. Nehmen Sie beispielsweise ein globales, ertragsorientiertes Multi-Asset Portfolio: Dieses könnte Aktien aus entwickelten Märkten enthalten, die bei niedrigen Anfangsrenditen gute Aussichten auf steigende Dividenden haben. Das kann ein nützlicher Wachstumsmotor sein. Diese Aktien könnten mit höherverzinslichen Anleihen aus Schwellenländern kombiniert werden, von denen viele heute über ein Investment-Grade Rating verfügen. Eine weitere Komponente könnten Real Estate Investment Trusts sein, deren Ertragsstärke künftig ebenfalls zunehmen könnte.
Nachhaltigkeit: Der Teufel steckt im Detail.
Die Analyse der einzelnen Bausteine ist ressourcenintensiv. Persönlicher Kontakt zu hochrangigen Entscheidungsträgern, Engagement für Nachhaltigkeit – das alles braucht Zeit. Doch es gibt auch Vorteile: Sie gewinnen ein tiefes Verständnis dafür, wie sich die einzelnen Anlagen auf den Planeten auswirken und wie die Ertragschancen aussehen.
Natürlich kann jeder auf „Nachhaltigkeit“ basierende Ansatz angefochten werden: Die Methoden variieren, und jeder Ansatz enthält naturgemäß eine subjektive Komponente. Doch ein dualer Ansatz aus Ausschluss und Integration kann helfen, die Kluft zu überbrücken. Anfällige Sektoren wie Tabak- und Kohlebergbau werden ausgeschlossen, während Vermögenswerte integriert werden, die nach positiven Maßstäben und Kriterien bewertet werden.
Die intelligente Kombination von Vermögenswerten kann Synergien schaffen. Intrinsisch robuste Portfolios entstehen, wenn die Summe ihrer Bestandteile begehrenswerter wird als die einzelnen Komponenten. So kann etwa die Gesamtrendite höher sein als bei einer traditionellen ertragsorientierten Multi-Asset Strategie. Auch die Tendenz zu steigenden Erträgen kann ausgeprägter sein. Stellen Sie sich das Anlageuniversum als 25.000 Sterne vor. Dann haben Sie auch nach einer Nachhaltigkeitsauswahl – nach ethischen Kriterien und Renditegesichtspunkten – immer noch ein sehr großes Anlageuniversum, aus dem Sie hochverzinsliche und qualitativ hochwertige Anlagen auswählen können. Das direkte ESG-Engagement sollte im Laufe der Zeit auch die Nachhaltigkeit verbessern.
Unter dem Strich sollten Anleger mit einem "Bottom-up"-Ansatz weniger Bedenken hinsichtlich kurzfristiger Kursschwankungen haben müssen. Schließlich dürften solche Schwankungen recht kurzlebig sein. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf das Detail: Also darauf zu wissen, was den Einkommensmotor antreibt – und wie das zu einen gesunden Strom von Erträgen führen kann, der Jahr für Jahr wächst.