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Korrelation der Anleihen: das Ende einer Ära?

Die Strukturänderungen an den Kreditmärkten könnten das Ende einer langen Epoche bedeuten, in der starke Korrelationen das Bild beherrschten. Was bedeutet das für Anleiheanleger?

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picture - sign depicting future and past

An den Finanzmärkten ist ein sonderbares Phänomen zu beobachten. Seit dem zweiten Halbjahr 2016 liegen die Aktienkorrelationen auf einem Mehrjahrestief. Analysten meinen, jetzt sei die Zeit der Stock Picker gekommen. An den Anleihemärkten sieht die Lage allerdings ganz anders aus.

Unternehmensanleihen korrelieren nach wie vor stark und tendieren in Bezug auf technische Faktoren, statt auf die zugrunde liegenden Fundamentaldaten der einzelnen Emittenten zu reagieren. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Streuung am Anleihemarkt nur leicht höher ist als nach der Finanzkrise, obwohl die Aktien sich viel deutlicher unterscheiden.

Abbildung 1: Streuung der CDX Investment-Grade-Anleihen (invertiert) ggü. realisierter Korrelation der S&P 500

chart 1 -CDX investment-grade credit dispersion (inverted) vs S&P 500 realised correlation

Die Hauptursache dieser Differenz ist bekannt, zumal die Zentralbanken weiterhin einen überproportionalen Einfluss auf Anleihen ausüben. Die Quantitative-Easing-Programme überfluten die Märkte mit Liquidität, dämpfen die Volatilität und verengen die Spreads in und zwischen den verschiedenen Sektoren. Wenn die Zentralbanken jedoch den Geldfluss drosseln, könnte es zu einer Trendwende kommen, die neue Risiken birgt, den Anlegern aber auch neue Chancen bietet.

„Wir haben das Liquiditätshoch wohl bereits überschritten“, so Joubeen Hurren, Fixed Income Portfolio Manager bei Aviva Investors. „Obwohl die Bank of Japan und die Europäische Zentralbank (EZB) weiterhin die Zügel lockern, dürfte sich die Geldpolitik allmählich weltweit normalisieren. Aus diesem Grund rechnen wir mit sinkenden Korrelationen. Die Anleihen sollten langsam wieder auf der Grundlage der Fundamentaldaten bewertet werden.“

Missverhältnis und Ungleichgewicht

An den Anleihemärkten bestand seit jeher ein positiver Zusammenhang zwischen der Credit-Volatilität und dem allgemeinen Spreadniveau. Einfach ausgedrückt: Wenn sich die Spreads stark verengen, neigt der Markt dazu stärker zu korrelieren sprich weniger volatil zu reagieren, wie es derzeit bei Investment-Grade-Anleihen der Fall ist.

James McAlevey, Senior Portfolio Manager, Fixed Income bei Aviva Investors, meint, starke Korrelationen können Anleiheanlegern vor gewaltige Herausforderungen stellen. „Wenn der Markt stark korreliert, ist es schwieriger, in einem Anleiheportfolio für ausreichende Diversifizierung zu sorgen. Es wird auch komplizierter, Alpha zu generieren, weil die Bewertung nicht immer zwischen guten und schlechten Anleihen unterscheidet.“

Die Korrelation der Aktien ist in den letzten zwölf Monaten steil gefallen. Eine Ursache dieses Trends ist die Entkopplung der Aktien- und Anleihekurse, die vor allem im US-Energiesektor in die Augen springt. Sorgen um sinkende Ölpreise setzten die Aktienanleger 2017 in Angst und Schrecken, obwohl sich die Anleihen derselben Emittenten als widerstandsfähig erwiesen. Insbesondere in den ersten fünf Monaten des Jahres war diese Tatsache offensichtlich, als die Aktien der Energieunternehmen im S&P 500 im 11 Prozent nachgaben und mehr als 165 Milliarden US-Dollar an Wert vernichteten, während die Anleihen in diesem Sektor um 3 Prozent stiegen (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Spreads der US-Hochzinsanleihen (invertiert) ggü. S&P 500-Energieindex

chart 2 - US energy high yield spreads (inverted) vs S&P 500 energy index

Dieses Missverhältnis ergibt sich zum Teil aus den geldpolitischen Anreizen und deren Auswirkungen auf den Anleihenmarkt. Zentralbanken kaufen Anleihen und halten dadurch die Zinssätze niedrig, fördern aber Abflüsse in riskantere Marktsegmente, wodurch sich die Spreads verengen. Unternehmen im Öl- und Gassektor emittieren jetzt Anleihen auf einem Niveau, das mit 2014 zu vergleichen ist, obwohl der Rohölpreis in der Zwischenzeit um 50 Prozent gesunken ist.[1]

Wenn die Ebbe einsetzt

Joubeen Hurren zufolge ändert sich nun die Dynamik, die diese Diskrepanz zwischen der Korrelation der Aktien und der Anleihen verursacht. Die Korrelation der Anleihen dürfte in den nächsten zwölf Monaten wieder zurückgehen, insbesondere wenn die steigende Inflationsrate die Zentralbanken veranlasst, die Zinssätze unerwartet schnell anzuheben.

„Die quantitative Lockerung und die expansive Geldpolitik wirken sich zweifach auf die Anleihemärkte aus“, erläutert er. „Einerseits beeinflusst das Kaufprogramm der Zentralbank direkt das Angebot. Andererseits werden mit diesen Maßnahmen Zeichen gesetzt, dass die Zentralbank die Kapitalkosten in Schach halten will, um die Konjunktur zu fördern, was wiederum das Vertrauen der Anleger steigert. Die Märkte unterschätzen möglicherweise, wie schnell sich die Spreads ändern können, wenn die beiden Faktoren wegfallen.“

Die geldpolitische Kehrtwende kann sogar bereits hinter uns liegen. Die US-Notenbank hat die Zinssätze bereits viermal angehoben und damit begonnen, die Wertpapierkäufe zu drosseln. Am 2. November 2017 erhöhte die Bank of England den Leitzins von 0,25 Prozent auf 0,5 Prozent und kündigte ihre Absicht an, vor 2020 noch zwei weitere Zinsschritte zu unternehmen. Die EZB bestätigte im Oktober, dass sie den Umfang ihrer Anleihekäufe einschränkt, obwohl EZB-Präsident Mario Draghi meinte, er würde bis 2018 weiterhin „große Mengen“ Unternehmensanleihen kaufen.[2]

In dieser Zeit der starken Korrelation war die Robustheit der Bilanzen und weitere Faktoren wie die geografische Lage und das gesetzliche Umfeld der Emittenten für die Bewertung der Anleihen völlig belanglos, was passive Beta-Strategien auf der Grundlage des einfachen Marktengagements begünstigte.

Wenn die Märkte jedoch von der Zentralbank keine zusätzliche Liquidität mehr erhalten, beeinflussen die Fundamentaldaten wieder die Bewertung und können die Schwächen in den riskanteren Marktsegmenten offenlegen. Warren Buffett meinte einst: „Erst wenn die Ebbe einsetzt, sieht man, welche Schwimmer nackt sind.“

Entspannung

Auch wenn die Marktbewegung Risiken birgt, bietet sie eventuell auch Chancen, so Joubeen Hurren. Der Kauf von Anleihederivaten als Schutz in Sektoren (etwa Öl, Gas und Automobile), in denen die Bewertungen nicht mehr von den Fundamentaldaten abhängen, und der Verkauf von Schutz im allgemeinen Index ermöglicht den Anlegern, aus einer eventuellen Neubewertung der Anleihen in Bezug auf den Markt Nutzen zu ziehen. Angesichts der niedrigen Marktvolatilität sind diese Geschäfte relativ günstig.

Anleiheinvestoren dürfen auch nicht vergessen, dass die Streuung in den Sektoren möglicherweise zunimmt und Unternehmen mit soliden Bilanzen begünstigt, meint James McAlevey. Er deutet auf ein eventuelles Auseinanderdriften der US-amerikanischen und australischen Finanzdienstleister, die sich derzeit nicht in den Anleihebewertungen ausdrückt.

„Die Anleihemärkte bewerten die amerikanischen und australischen Bankrisiken derzeit auf demselben Niveau, wobei sie einige eklatante Unterschiede übersehen“, erklärt er. „US-Banken sehen solide aus, weil sie in den letzten Jahren aus aufsichtsrechtlichen Gründen ihre Bilanzen sanieren mussten.

Australische Banken führen jedoch in einer sich abkühlenden Konjunktur viele Wohnimmobilien in ihren Bilanzen. Wenn sich eine Blase bildet, könnten die Kreditinstitute besonders stark darunter leiden. Aus diesem Grund ist der australische Markt viel riskanter als der amerikanische. Ein Rückgang der Korrelation dürfte sich deutlich in den Bewertungen ausdrücken“, fügt James McAlevey hinzu.

Rückkehr der Fundamentaldaten

In manchen Sektoren zeichnet sich bereits ein Zusammenbruch der Korrelationen ab. Das Ungleichgewicht zwischen den US-Hochzinsanleihen steigt im Vergleich zu Investment-Grade-Papieren (siehe Abbildung 3), zum Teil aufgrund der sich weitenden Spreads zwischen den Anleihen der US-Einzelhandelsketten. Die Anleger befürchten, dass der E-Commerce diese Unternehmen stark belasten könnte. Der Konkurs des hochverschuldeten Spielwarenhändlers Toys ‘R’ Us im September könnte darauf hindeuten, dass sie Grund zur Sorge haben.

Die Anleihen des europäischen Einzelhandels müssen erst noch korrigieren. Die EZB analysiert die Anleihen, die sie kauft, nicht und kümmert sich auch nicht um die zugrunde liegenden Fundamentaldaten. Dadurch verzerrt sie weiterhin der Markt. Die Yield-to-Worst des ICE Bank of America Merrill Lynch Euro High-Yield Index sank Anfang November auf unter 2 Prozent. Dieses Allzeittief spiegelt einen Markt wider, der von technischen Faktoren angetrieben wird.

Dennoch dürfen die Anleger die Hände nicht in den Schoß legen. Wenn die Anreize wegfallen, kommen sie nicht um eine sorgfältige Analyse der einzelnen Emittenten herum. „Nach einer Periode, in der die Titelauswahl in einem Umfeld mit hoher Korrelation und niedriger Volatilität gefangen war, profilieren sich die Fundamentaldaten wieder als wesentliche Renditefaktoren“, so Joubeen Hurren.

Abbildung 3: Streuung in amerikanischen Investment-Grade-Unternehmensanleihen gegenüber Hochzinsanleihen

chart 3- Dispersion in US investment-grade credit versus high yield

Verweise

[1] „Energy debt sells like it’s 2014 even with crude oil at $50 a barrel,“ Bloomberg, Oktober 2017

[2] „‘ECB will keep buying substantial quantities of corporate bonds,“ Financial Times, Oktober 2017

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RA17/1474/31012017

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