
Anleger sollten lieber nach Anlagechancen im gesamten Investmentuniversum suchen statt sich ideologisch an einem Anlagestil festzuhalten, meint David Cumming.
Für aktive Fondsmanager kommt es darauf an, dass ihre Anlagephilosophie und Prozesse von Anlagekunden als effektiv und nachhaltig anerkannt werden. Mit dem richtigen Ansatz können aktive Fondsmanager den Markt schlagen, wie zahlreiche Studien gezeigt haben.1 Der Grund: Die Vergangenheit lässt sich eben nicht in die Zukunft fortschreiben. Aktive Fondsmanager punkten damit, dass sie ihre Ressourcen voll auf Veränderungen am Markt konzentrieren können. Dadurch können sie künftige Entwicklungen besser antizipieren als der starre passive Investor oder rückwärtsgewandte ETFs.
Mit Investmentstilen arbeiten Fondsmanager häufig, um die Überzeugung bei Beratern und Kunden zu unterfüttern, dass sie höhere Renditen erwirtschaften können und sich von der Konkurrenz abheben. Investmentstile wie Value, Growth, Quality und Momentum sollen dabei den Unterschied im Investmentprozess machen.
Stilschwerpunkte sind aber mit einer ganzen Reihe von Nachteilen verbunden. Am offensichtlichsten ist, dass sie das Universum, aus dem Aktien ausgewählt werden, beschränken – und damit eben auch die Anlagemöglichkeiten. Wenn die ganze Anlegerwelt eher auf volkswirtschaftliche Größen wie Wechselkursbewegungen oder Bondrenditen schaut als auf spezifische Eigenschaften von Aktien, kann es zum Beispiel vorkommen, dass Stil-Investoren in einem Pool aus überteuerten Growth-Aktien fischen, während eigentlich Value-Aktien günstig sind oder umgekehrt. Ihre Anlagephilosophie hindert sie daran, anderswo zu schauen.
Portfoliomanager mit festgelegtem Stilschwerpunt setzen sich auch eher der Konkurrenz durch Smart Beta aus sowie engeren Portfoliomanagementanforderungen. Das gilt besonders, wenn ihr Investmentansatz so schematisch ist, dass er eigentlich als Algorithmus ausgedrückt und via Smart Beta-Strategien realisiert werden könnte, die dann z. B. eine echte Value-Strategie ersetzen können. Das gilt aber auch, wenn die Performance an einer Faktor-Benchmark gemessen werden kann.
Wir präferieren daher einen stil-agnostischen Ansatz. Als aktiver, auf Aktien konzentrierter und zukunftsorientierter Investor ist es im Sinne der Ergebnisse für unsere Anleger besser, die Anlagemöglichkeiten nicht zu limitieren. Ebenso wenig sollte die Möglichkeit beschnitten werden, auf sich verändernde Trends und neue Informationen – sowohl auf Mikro- als auch Makroebene – reagieren zu können. Das ist besonders wichtig, wenn man mit passiven, nicht-dynamischen Strategien in Konkurrenz steht.
Der Stil verschiebt sich
Ein stil-agnostischer Ansatz ermöglicht es, auf die fundamental besten Chancen im Aktienbereich zu setzen und sich nicht um den Investmentstil zu kümmern. Das gibt uns die breiteste Auswahl an Wahlmöglichkeiten, und der Stil kann sich in der Portfoliokonstruktion verschieben. Außerdem wird dadurch das Risiko verringert, dass Makrofaktoren irgendwann im Konjunkturzyklus die Performance einer stiltreuen Anlagestrategie negativ beeinflussen.
Mit einem stil-agnostischen Ansatz lässt sich auch die Volatilität senken, die mit bestimmten Stilfaktoren und Themen einhergeht und zu einer hohen Gewichtung bestimmter Branchen führen kann. So bedeutet eine Growth-Strategie zum Beispiel oft, dass Technologieaktien übergewichtet werden. Auch die Gefahr von Klumpenrisiken, also die zu hohe Gewichtung einer Aktie oder Branche, wird eliminiert. Wird das Portfolio einem veränderten Umfeld angepasst und stil-agnostisch investiert, ist es auch dynamischer in seiner Anpassungsleistung.
Eine stil-agnostische, an spezifischen Eigenschaften von Aktien anknüpfende Titelauswahl, die die Renditeentwicklung nicht nach oben begrenzt, ist mit Smart Beta, ETFs oder passiven Strategien generell nicht möglich. Außerdem sind stil-agnostische Portfolios für jede Phase des Konjunkturzyklus geeignet. Das heißt auch, dass weniger Kunden abspringen können, wenn im Verlauf des Zyklus bestimmte Stile plötzlich nicht mehr passen.
„Abkürzungen” nicht nötig
Festgehalten werden kann, dass viele Stellschrauben richtig eingestellt sein müssen, um Anleger für ein aktives anstelle des passiven Investierens zu gewinnen: Engagierte Investmentteams mit einer guten Ressourcenausstattung, ein konkreter Investmentansatz, klare Kommunikationsstrukturen und ein effizienter Portfolioaufbau gehören zu den Vorteilen, ebenso eine Größe, die eine Direktansprache der Unternehmensleitungen möglich macht. Einen Schwerpunkt auf einen bestimmten Stil zu legen, gehört nicht dazu.
Ein Stilschwerpunkt ist eine intellektuelle Abkürzung, die einfach Anlagegelegenheiten beschränkt
Stil-basiertes Investieren ist intellektuell zu kurz gesprungen, es begrenzt die Chancen, die durch Marktineffizienzen entstehen, und schränkt das Anlageuniversum (allerdings auch die Arbeit des Portfoliomanagements) ein.
Wer die Analysekapazitäten und die organisatorische Flexibilität hat, das ganze Anlageuniversum zu beobachten, braucht „Abkürzungen“ dieser Art nicht – und kann sich auf die ursprünglichen Prinzipien konzentrieren. Das heißt, er kann nach Situationen Ausschau halten, in denen Unternehmen fundamental falsch bewertet sind, wodurch sich wirklich Geld verdienen lässt. Diese Art Flexibilität wird der Tatsache besser gerecht, dass das Gestern nicht einfach fortgeschrieben werden kann – genau darauf basieren aber passives Investieren und Smart Beta. In ein flexibles Konzept passen Stilschwerpunkte nicht hinein.
Verweise
1 KJM Cremers & A Petajisto ‘How active is your fund manager?’, The Review of Financial Studies, 2009 (probably the most cited study in this area)