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ESG und Real Assets: Eine Frage der Bilanz

Die Bewertung der ESG-Risiken innerhalb von Real Asset-Anlagen ist alles andere als einfach. Mark Versey und Stanley Kwong verwenden fünf Fallstudien, um die Bilanz der ESG-Risikofaktoren zu veranschaulichen, welche die Anlageentscheidung beeinflusst. Dabei geht es um mehr als den Versuch „grün“ zu sein.

Lesedauer: 8 Minuten

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Anlagen in Real Assets erfordern Geduld, vor allem, da das Kapital für eine erhebliche Zeitdauer gebunden ist. Wie in unserem kürzlich veröffentlichen Whitepaper Die Rolle von Real Assets für eine nachhaltige Zukunft1 erörtert, können die Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt weitreichend sein. Falls wir die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) gemeinsam erreichen wollen, nehmen Real Assets dabei eine wichtige Rolle ein. Und obwohl sie in Bezug auf Umwelt, Soziales und Governance (Environment, Social, Governance; „ESG“) einige sehr große Risiken darstellen, sind Anlagen in Schwellen- und Frontier-Märkten ebenso entscheidend.

Die Einbeziehung von ESG-Abwägungen in die Anlageentscheidung bezüglich Real Assets ist jedoch nicht einfach. Dies erfordert einen anderen Ansatz als bei öffentlichen Märkten wie Aktien und Anleihen, wo Informationen einfacher verfügbar sind. Ebenso funktioniert eine Beteiligung nicht auf die gleiche Weise wie bei einem notierten Unternehmen, da bei Real Asset-Investitionen in der Regel mehrere Interessengruppen an einem Projekt beteiligt sind.

Die Anlagemöglichkeiten sind sehr unterschiedlich: Eine Immobilienentwicklung beispielsweise hat nicht die gleichen ESG-Aspekte wie ein Infrastrukturprojekt. Doch auch innerhalb einer bestimmten Anlagenklasse kann das Gleichgewicht zwischen positiven und negativen ESG-Auswirkungen zwischen den Investitionen erheblich schwanken. Deshalb ist eine maßgeschneiderte ESG-Bewertung für jede Transaktion wichtig, um das einzigartige Potenzial jeder Anlage, zu den SDGs beizutragen oder sie zu beeinträchtigen, darzustellen.

Aufgrund dieser Komplexität müssen Anleger einen ausgeglichen, fallbezogenen Ansatz verfolgen, der die wichtigsten positiven und negativen Aspekte gegeneinander abwägt und bestimmt, welcher der stärkste ist. Die folgenden Fallstudien veranschaulichen, wie wichtig es ist, bei einer Anlageentscheidung die Netto-ESG-Bilanz eines Projekts zu bestimmen und sicherzustellen, dass diese Bilanz während der Dauer der Anlage positiv bleibt.

Unser Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf der erwarteten finanziellen Rendite einer solchen Anlage. Obwohl wir in den folgenden Beispielen keine Finanzanalyse durchführen, haben wir nur Fälle ausgesucht, in denen die finanziellen Aspekte positiv waren und die ESG-Eigenschaften großen Einfluss auf die Anlageentscheidungen hatten.

1. Immobilienentwicklung in St John’s, Manchester, Vereinigtes Königreich

Abwägung des Erneuerungspotentials gegenüber dem Risiko sozialer Ausgrenzung durch Gentrifizierung. Netto-ESG-Bilanz: positiv

Dieses Projekt wird vorhandene Gebäude neu gestalten und in einen Komplex aus Mietwohnungen, Büros und einem Filmstudio umwandeln. Dem Anschein nach ist dieses Projekt aus ESG-Perspektive zweifelsfrei positiv. Es hat die Kapazität, die lokale Gemeinschaft zu regenerieren, Jobs zu schaffen, neue Technologie-Geschäfte anzunehmen und die Lebensqualität in der Gegend zu erhöhen. Bei ESG-Faktoren sollte man jedoch immer genauer hinschauen.

Hinsichtlich des Umweltaspekts erhielt dieses Projekt eine ausgezeichnete BREEAM-Bewertung, die uns das nötige Vertrauen gab.

In Bezug auf die Governance führten wir Sorgfaltsprüfungen zu allen beteiligen Interessengruppen durch, von den Auftragnehmern bis hin zu den künftigen Mietern.

Zum Beispiel prüften wir den künftigen unternehmerischen Mieter in Bezug auf:

  • Organisationskultur, um sicherzustellen, dass er seine Mitarbeiter mit Fairness und Respekt behandelt und dass es keine Konflikte gibt, die bei einigen Technologieunternehmen offensichtlich waren;
  • Nachweise bezüglich Vielfalt und Inklusion (mehr als 50 % der weltweiten Belegschaft und 38 % des Vorstands sind Frauen);
  • Unsere interne, sogenannte „Heatmap“-ESG-Bewertung – die keine Bedenken aufkommen ließ.

Der wichtigste Faktor eines solchen Projekts ist jedoch seine soziale Auswirkung. Selbst wenn die beteiligten Parteien die besten Absichten verfolgen, kann ein Erneuerungsplan die Dynamik der lokalen Gemeinschaft stören.  Ein Paradebeispiel und ein für dieses Projekt relevanter Punkt ist die Gentrifizierung, welche die Ungleichheit erhöhen kann. Falls die lokale und weiter gefasste Wahrnehmung des Projekts besagt, dass es ein wirtschaftliches Gefälle verursacht und die Gemeinde spaltet, kann sich dies auf das langfristige Wachstum und die Investitionen in der Gegend negativ auswirken.

Das war vor allem für Manchester von Bedeutung. Obwohl die Wirtschaft beeindruckend wächst,2 ist Manchester dennoch eine der zehn am meisten benachteiligten Städte in England.3 Darüber hinaus verfügt sie zwar über eine florierende lokale Wirtschaft mit vielen lokalen Absolventen (69 % laut dem State of the City Report 2018 des Manchester City Councils), bleibt aber ein traditioneller, industrieller Knotenpunkt, in dem bei der letzten Volkszählung 31 % der Befragten zur Arbeiterklasse gehörten. Aus diesem Grund war es von entscheidender Bedeutung, nicht nur zu beurteilen, ob durch die Neugestaltung Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern auch, wer davon profitiert.

Daher wurden zum einen Arbeitsplätze und Inklusion, zum anderen die Akzeptanz der Gemeinde als auch der breiten Öffentlichkeit als zwei wichtige zu berücksichtigende ESG-Faktoren ermittelt. Hinsichtlich Arbeitsplätzen und Inklusion erwies sich die Neugestaltung als positiv, ebenso wie die Referenzen des Mieters, die ihn als inklusiven Arbeitgeber auswiesen. Nun müssen wir sicherstellen, dass dies weiterhin ein wahrer Knotenpunkt für vielfältige Unternehmen bleibt, da viele Entwicklungen dieser Art dazu neigen, sich zu einer dauerhaften Inbesitznahme solider Konzerne zu entwickeln. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die ESG-Faktoren fortwährend zu beobachten.

In Bezug auf die Akzeptanz der Gemeinde als auch der breiten Öffentlichkeit ließen wir uns zusichern, dass das lokale Erbe und die Mischung an Mietern beibehalten würden. Als letzten Punkt galt es zu beachten, dass dies der ehemalige Drehort der Fernsehserie Coronation Street war. Es handelt sich also um einen historischen Ort, weshalb es wichtig ist, die originale Fassade beizubehalten und zu renovieren.

Nach dieser Analyse der ESG-Eigenschaften des Projekts entschieden wir uns für die  Neugestaltung. Da diese Investition dabei helfen würde, die Ungleichheit zu mindern, vielfältige Chancen zu kreieren und eine inklusive Erneuerung der Gegend zu ermöglichen, erachteten wir ihre allgemeine Netto-ESG-Bilanz als positiv.

2. Müllverbrennungsanlage, Hooton, Vereinigtes Königreich

Abwägung der nationalen Ziele zur Emissionsverringerung gegenüber der „sozialen Betriebslizenz“ der lokalen Gemeinde. Netto-ESG-Bilanz: positiv

Diese Infrastruktur-Kapitalbeteiligung finanziert den Bau eines Kraftwerks, in dem mittels Müllverbrennung Energie erzeugt wird. Dieses Projekt erschien aus ESG-Perspektive eine klare Angelegenheit zu sein, da sowohl die Abfallbeseitigung auf Deponien als auch die CO2-Emissionen reduziert und Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. Aber auch hier gilt, dass die Angelegenheit nicht so eindeutig war.

Nach der Prüfung der Referenzen der verschiedenen Interessengruppen schien Governance keine große Rolle zu spielen. Es waren überzeugende Sorgfaltsprüfungen durchgeführt worden, um zu gewährleisten, dass das Projekt der Industrieemissionsrichtlinie der EU entspricht und dass alle wichtigen Kontrahenten solide Verfahren bezüglich Gesundheit und Sicherheit etabliert haben. Obwohl der Umweltaspekt auf den ersten Blick sehr gut zu sein scheint, gab es andererseits weiterhin Diskussionen bezüglich der allgemeinen Vorteile dieser Technologie. Dies sind einige der wesentlichen Risiken, die wir zu beurteilen hatten:

  • Erneuerbare Technologien entwickeln sich schnell: Wird die Energiegewinnung aus Müllverbrennung eines Tages im Vergleich zu saubereren Energiequellen wie Wind und Solar negativ erscheinen?

Eine Studie zeigte, dass das Werk – trotz der Emissionen, die durch die Verbrennung von Müll zur Stromerzeugung entstehen – jedes Jahr im Vergleich zu Mülldeponien auf Nettobasis 82.000 Tonnen CO2 einspart, indem die aerobe Zerlegung des Abfalls während der Energieerzeugung verhindert wird. Zudem wird prognostiziert, dass Englands Mülldeponien bis zum 2022 überlastet sein werden, sodass diese alternative Form eindeutig benötigt wird. Das Werk sollte eher als Abfallbehandlungsanlage angesehen werden, die eine Alternative zu Mülldeponien darstellt, anstatt als reiner Energieversorger.

  • Woher kommt der Müll ursprünglich und zukünftig?  Falls der Müll über hunderte von Meilen transportiert wird, würde dies eindeutig die positive CO2-Belastung des Werks mindern.

Hooton Bio Power wird mit „lokal beschafftem“ Müll betrieben. Dabei werden dank eines 15-jährigen Rohstofflieferungsvertrags mit dem lokalen Abfallsammelbetreiber jedes Jahr 240.000 Tonnen an Ersatzbrennstoffen (RDF) verwendet, sodass die zusätzlichen Emissionen durch den Transport des Mülls zum Werk minimal sind.

  • Wie sieht die wahre Umweltauswirkung des Werks aus? Würde das Werk nicht Materialien aus der Kreislaufwirtschaft entfernen und unnötig Wertstoffe verbrennen?

Es wird das erste Projekt in Europa sein, das die Vergasungstechnik der japanischen Firma Kobelco Eco Solutions einsetzt, wodurch es möglich ist, unbehandelten Restmüll zu verarbeiten. Wir haben eine Sorgfaltsprüfung zum Rohmaterial durchgeführt, um sicherzustellen, dass es vollständig von Deponien umgeleitet wird.

Bei diesem Projekt war auch die soziale Komponente bedeutend. Bei der Analyse der ESG-Auswirkung von erneuerbaren Energien ist es einfach, sich auf die positiven nationalen und globalen Aspekte zu konzentrieren und dabei die Störungen zu ignorieren, die sie gegebenenfalls auf lokale Gemeinden haben. Das kann allerdings letztlich zu einer Ablehnung und dementsprechend zu einem Misserfolg führen. Ein solches Projekt benötigt eine „soziale Betriebslizenz“ (auch „Licence to operate“ genannt). Schließlich kann durch die Verbrennung von Müll zur Stromerzeugung Kohlendioxid freigesetzt werden, was negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner vor Ort haben kann.

Das Werk sollte auf dem bestehenden Industriegelände gebaut werden, das weit weg von den nächsten Wohngebäuden war. Zudem befindet sich in der Nähe kein Gebiet von besonderem wissenschaftlichem Interesse, sodass die möglicherweise schädlichen Auswirkungen von Emissionen auf die Gesundheit und die lokale Umwelt minimiert werden. Darüber hinaus sollte das Werk Arbeitsplätze vor Ort schaffen und lokale Unternehmen würden eine Ermässigung auf den produzierten Strom erhalten.

Obwohl wir ESG-Risiken feststellen konnten, war die Nettobilanz der Analyse positiv. Dieses Projekt für erneuerbare Energien fördert nachhaltiges Wachstum mit minimalen Kosten für die nationale und lokale Umwelt. Dies unter gebührender Berücksichtigung der lokalen Gemeinden und der sozialen Auswirkungen.

3. Refinanzierung einer Ölraffinerie an der Côte d’Ivoire

Abwägung des wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungspotenzials gegenüber Korruptions- und CO2-Emissionsrisiken. Netto-ESG-Bilanz: positiv

Die Transaktion zielte darauf ab, einem großen staatseigenen Unternehmen ein Darlehen bereitzustellen, um eine hochverzinsliche Verbindlichkeit zu refinanzieren und mit den Einnahmen Verbesserungen an einer vorhandenen Ölraffinerie zu finanzieren.

Bei strukturierten Finanztransaktionen geht es häufig um die Investition in bestehende oder neue Infrastruktur, um eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu unterstützen, was vor allem für Schwellen- und Frontier-Märkte wichtig ist. Nur wenige Investoren sind jedoch angesichts schlechter ESG-Daten und Sorgen bezüglich Transparenz oder Korruption bereit, direkt in diese Märkte zu investieren. Da es sich bei der Côte d’Ivoire um einen Frontier-Markt mit bekannten Korruptionsproblemen handelte, war eine sorgfältige ESG-Bewertung unerlässlich.

Da die Transaktion dazu diente, eine Ölraffinerie zu refinanzieren, erschien neben der schlechten Leistung des Landes aus ESG-Gründen eine Ablehnung eigentlich als eindeutig. Dennoch unterstützte unsere Analyse diese Investition, im Gegensatz zur nächsten Fallstudie, in der das Kreditrisiko und die Transaktionsstruktur ähnlich waren, aber die ESG-Eigenschaften der Überprüfung nicht standhielten.

Aus Governance-Sicht birgt die Côte d’Ivoire angesichts weit verbreiteter Korruption und mangelnder Transparenz hohe Länderrisiken. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2018 schneidet das Land schlecht ab (auf Platz 105 von 180 aufgeführten Ländern).4 Es ist in unserem Länderindex als „rot“ eingestuft und erzielt in unserem internen ESG-Staatsbewertungsmodell ein schlechtes Ergebnis. Transparency International hat jedoch auch herausgefunden, dass die Côte d’Ivoire vielversprechende Fortschritte gemacht hat. Das Gesamtergebnis ist von 27/100 Punkten im Jahr 2013 auf 35/100 im Jahr 2018 gestiegen.

Für den Präsidenten des Landes haben Maßnahmen zur Verbesserung der Bereiche Governance und Bekämpfung der Korruption Priorität. Die Regierung bemüht sich, internationale Standards einzuhalten, einschließlich der Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft (Extractive Industries Transparency Initiative; EITI). Insgesamt hat sich die Position der Côte d’Ivoire im Korruptionswahrnehmungsindex in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Das andere wesentliche Governance-Risiko bezog sich auf die Verwendung der Erlöse, die dem Land überlassen blieben, trotz des angegebenen Ziels, sie für die Ölraffinerie einzusetzen. Die Transaktion enthielt allerdings solide Überwachungsmechanismen, bei der ein großer Wirtschaftsprüfer und verschiedene multinationale Banken garantierten, dass die Gelder für den beabsichtigten Zweck eingesetzt werden.

Auch die Auswirkungen auf die Umwelt waren positiver als erwartet. Die Côte d’Ivoire befolgte nicht nur die EITI-Regeln, sondern die Erlöse aus der Refinanzierung sollten auch dafür eingesetzt werden, die operative Effizienz einer vorhandenen Raffinerie zu verbessern um nicht eine neue zu bauen. Im Allgemeinen würde die Investition dabei helfen, die Kohlendioxidemissionen des Landes ebenso wie seine Energieabhängigkeit von anderen Ländern zu verringern.

Es war die soziale Auswirkung des Projekts, die dafür sorgte, dass die ESG-Bilanz zu seinen Gunsten ausfiel. Es würden nicht nur Arbeitsplätze vor Ort geschaffen, es wäre auch Teil des nationalen Entwicklungsplans des Landes, der beabsichtigte, die inländische Wirtschaft zu stärken und die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren. Zudem passt das Projekt gut zu den SDGs.

Dies ist ein Fall, in dem die Messung der positiven/negativen ESG-Bilanz ihren vollen Nutzen offenbart. Eine gründliche Analyse, die komplexe Faktoren berücksichtigt, kann den Unterschied ausmachen. Eine dynamische Bewertung der Verbesserungen und zukunftsweisenden Verpflichtungen ist von entscheidender Bedeutung, um positive Reformen in Entwicklungsländern zu fördern. Projekte wie dieses können tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale Entwicklung eines Landes haben. Ohne die tiefgründige ESG-Analyse, die diese positiven Faktoren offenbarte, hätte das Anlageteam die Transaktion nicht fortgeführt.

4. Strukturierter Finanzierungskredit in Osteuropa

Abwägung der potenziellen Verbesserung der institutionellen Governance gegenüber politischen Volatilitäts- und Korruptionsrisiken. Netto-ESG-Bilanz: negativ

Das Ziel dieser Transaktion war die Finanzierung politischer und institutioneller Reformen, die dafür konzipiert waren, die Governance in einem hochriskanten Markt in Osteuropa zu verbessern.

Wie bereits erwähnt, ähnelten das Kreditrisikoprofil, die zugrunde liegenden Garantien und die Transaktionsstruktur denen des Projekts der Côte d’Ivoire und sie verfolgten dem Anschein nach auch ähnliche Ziele, die ESG-Standards zu verbessern. Nach dem Beispiel der Côte d’Ivoire könnte auch dieser Kredit wie eine lohnende Investition erscheinen, die auf die SDGs abgestimmt war. Unsere ESG-Analyse kam jedoch zu einer sehr unterschiedlichen Schlussfolgerung.

Angesichts der angegebenen Ziele des Kredits waren die Auswirkungen auf die Umwelt nicht erheblich, ebenso wenig waren deutliche soziale Verbesserungen zu erwarten, abgesehen von den indirekten Auswirkungen verbesserter Governance-Standards.

Die wesentlichen Risiken in diesem Fall bezogen sich auf Governance. Das Land ist ein hochriskanter Schwellenmarkt mit volatiler politischer Situation und leidet unter weit verbreiteter Korruption. Da der Aufbau solider Governance-Einrichtungen für eine nachhaltige Entwicklung sowie nachhaltiges Wachstum entscheidend ist, unterstützten wir die politischen Ziele der Entwicklungsbank beim Aushandeln der Finanzierungsvereinbarungen. Die Sorgfaltsprüfungen gaben jedoch Anlass zur Sorge bezüglich der Transparenz und der Nachverfolgbarkeit der Finanzierung. Der Umfang, in dem Geldmittel vom allgemeinen Regierungshaushalt zweckgebunden sind, und die Ausgaben waren ebenfalls unklar. Zudem gab es keinen formellen Mechanismus zur Überwachung. Angesichts des Mangels an angemessenen finanziellen Kontrollen hatten wir ernsthafte Bedenken, dass das Geld unbeabsichtigt zur Unterstützung weiterer politischer und sozialer Unterdrückung verwendet werden könnte.

In diesem Fall erwies sich die Netto-ESG-Bilanz als negativ und wir lehnten die Chance ab.

5. Zwei Öl- und Gasspeicher-Infrastrukturprojekte im Vereinigten Königreich

Abwägung der Infrastrukturbedürfnisse gegenüber Umweltrisiken bei zwei ähnlichen Projekten. Netto-ESG-Bilanz: bei einem positiv, beim anderen negativ

Dies waren zwei ähnliche Transaktionen, die darauf abzielten, Einrichtungen zur Speicherung und Verteilung von Öl und Gas im Vereinigten Königreich zu finanzieren, wobei beide Projekte ähnlich starke Finanzzahlen vorweisen konnten.

Weder die Governance- noch die sozialen Faktoren waren wesentlich, aber beide Fälle stellten hinsichtlich des Umweltaspekts ein hohes ESG-Risiko dar. Interessanterweise ist das Vereinigte Königreich im Vergleich zum Beispiel der Côte d’Ivoire beim Übergang zu einer kohlendioxidarmen Gesellschaft weiter fortgeschritten, sodass die entsprechenden umweltbezogenen Kriterien nicht die gleichen sind. Angesichts der aktuellen Bemühungen des Vereinigten Königreichs zur Kohlendioxidreduzierung und der steigenden Beliebtheit erneuerbarer Alternativen sind Öl und Gas hinsichtlich ESG-Konsequenzen ein Sektor mit hoher Auswirkung.

Während sich das Vereinigte Königreich seinem hinreichend publizierten Ziel – bis 2050 CO2-neutral zu sein – nähert, geht es darum, die „tief hängenden Früchte zu ernten“ oder anders ausgedrückt, die Optionen zu wählen, welche die einfachsten Möglichkeiten zur Kohlendioxidreduzierung bieten. Dies wirft die Frage bezüglich der langfristigen Rentabilität von mit fossilen Brennstoffen verbundenen Projekten auf.

Bei der Betrachtung der Einzelheiten beider Transaktionen sind uns in dieser Hinsicht wesentliche Unterschiede aufgefallen. Eine Speicherstätte war lediglich für die Speicherung herkömmlicher fossiler Brennstoffe konzipiert, ohne die Möglichkeit anderer Verwendungszwecke. Im Gegensatz dazu enthielt die andere vorwiegend Kerosin. Natürlich ist das nicht „grün“, aber derzeit gibt es keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu Kerosin (obwohl an Elektroflugzeugen gearbeitet wird), was bedeutet, dass es einem viel geringeren Übergangsrisiko als „herkömmlicher“ Treibstoff unterliegt. Das Risiko, dass diese Vermögenswerte während unseres Anlagezeitraums scheitern, war gering. Die zweite Einrichtung verfügte zudem über das Potenzial, Biotreibstoff zu lagern, was das Übergangsrisiko weiter minderte.

Die Analyse kam zum Ergebnis, dass die Netto-ESG-Bilanz für das erste Projekt negativ und für das zweite positiv war – wir haben unsere Investition dementsprechend getätigt.

Regeln zum Engagement

Das Engagement der Investoren in Bezug Real Asset-ESG-Aspekten unterscheidet sich deutlich vom Unternehmensengagement für liquide Anlagen. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:

  • Die Art der Anlage bedeutet, dass die Investoren entweder ein Projekt finanzieren oder ein Darlehen mit einem bestimmten Zeitraum vergeben, in dem sie die richtige Zusicherung hinsichtlich ESG erhalten und Verbesserungen sehen möchten.
  • Die Empfänger der Erlöse sind in der Regel keine öffentlichen Unternehmen, können aber von Regierungen bis hin zu privaten Unternehmern reichen. Sie werden nicht so agieren wie in der Öffentlichkeit sehr präsente und notierte Unternehmen.
  • Die Anzahl der Investoren ist sehr viel geringer als die Anzahl der Anteilinhaber bei einem notierten Unternehmen, wodurch jedem Investor eine größere Verantwortung bezüglich der Erreichung positiver Ergebnisse zukommt.

Wir haben beispielsweise in ein familiengeführtes Logistikunternehmen investiert, das zu dem Zeitpunkt nicht über den entsprechenden Rahmen zur Bewertung der ESG-Risiken verfügte. Wir haben die Führungskräfte des Unternehmens, die inzwischen begonnen haben, die ESG-Faktoren zu berücksichtigen, herausgefordert und einen Direktor für nachhaltige Entwicklung ernannt.  Wir bleiben mit ihnen weiter im aktiven Dialog und beraten sie bei weiteren ESG-Verbesserungen.

Wesentliche Probleme erkennen, die den Ausschlag geben

Es ist von entscheidender Bedeutung, die ESG-Faktoren zu ermitteln und zu untersuchen, die eine Real Asset-Investition während ihres Lebenszyklus beeinflussen können -  das heisst, von der Entstehung über die Sorgfaltsprüfung bis hin zu Investitionsgenehmigung, Vermögensverwaltung und Berichtserstattung. Für eine wirklich fundierte Anlageentscheidung müssen die Investoren einen Schritt weiter gehen und nicht nur die negativen Aspekte beachten. Die positiven Aspekte, wie etwa der Beitrag eines Projekts zu den SDGs, sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

Um zu verstehen, wo die wichtigsten ESG-Themen zu suchen sind und wie die ESG-Bilanz am besten bestimmt werden kann, kann es den Investoren von Nutzen sein, für jede Art von Real Asset-Investition ein bestimmtes Rahmenwerk festzulegen. Mit einer allgemeinen ESG-Richtlinie können sie ebenfalls einen gleichbleibenden Ansatz und gemeinsame Prinzipien verfolgen und sicherstellen, dass ESG-Überlegungen in den gesamten Anlageprozess integriert sind. Schließlich können Anleger sektorspezifische Risikodaten aus ESG-Untersuchungen zu liquidenVermögenswerten nutzen, die bedeutend sein können.

Eine simple Anwendung einer Top-down-Perspektive für ESG-Probleme und eine nur auf Risiken fokussierte Sichtweise kann bedeutende Elemente übersehen und den nicht wesentlichen Problemen eine zu große Gewichtung beimessen, sodass das Vertrauen in die ESG-Analyse nach und nach schwindet. Letztlich sollten die Investoren jede Gelegenheit eingehend analysieren, um zu bestimmen, ob die Netto-ESG-Bilanz positiv oder negativ ist.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass zwei Projekte, welche die SDGs in Schwellenländern unterstützen sollen, sehr ähnlich erscheinen können (etwa hinsichtlich der Art ihrer Ziele und ihres Kreditrisikoprofils); dennoch können die Einzelheiten jedes Projekts und die zugehörigen Garantien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Unterdessen kann die Finanzierung einer Öl- und Gastransaktion in einem Schwellenland wie der Côte d’Ivoire eine positive Netto-ESG-Bilanz aufweisen, aber eine negative im Vereinigten Königreich, da beide Länder auf dem Weg zu einer kohlendioxidarmen Wirtschaft unterschiedliche Fortschritte vorweisen können. Zu verstehen, was den Ausschlag geben kann, ist von entscheidender Bedeutung, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Quellen:

  1. ESG-Aspekte werden zunehmend greifbar: Die Rolle von Real Assets für eine nachhaltige Zukunft, Laurence Monnier, Aviva Investors, Juni 2019 – https://www.avivainvestors.com/de-de/views/aiq-investment-thinking/2019/06/esg-the-role-of-real-assets-in-creating-a-sustainable-future/
  2. Manchesters Bruttowertschöpfung pro Kopf ist zwischen 2015 und 2016 um 6,4 % gewachsen, im Vergleich zu einer Rate von 3,7 % für das gesamte Vereinigte Königreich (Quelle: ONS Regional Gross Value Added von Kommunalbehörden im Vereinigten Königreich, Dezember 2017, Manchester City Council, State of the City Report 2018)
  3. Gemäß den Indices of Deprivation (Indizes für Benachteiligung) aus dem Jahr 2015 rangierte Manchester auf Platz 5 von 326 Kommunalbehörden in England, wobei der 1. Platz für die größte Benachteiligung steht. Quelle: Manchester City Council (https://secure.manchester.gov.uk/info/200088/statistics_and_intelligence/2168/deprivation/1)
  4. Quelle: Transparency International, Korruptionswahrnehmungsindex 2018

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