Eine gute Anlageidee zu haben, ist das eine. Etwas ganz anderes ist es, diese Idee auch bestmöglich umzusetzen und sie mit anderen Ideen zu kombinieren zu einem optimalen Portfolio. Genau darum geht es bei der Portfoliokonstruktion.
Diversifikation scheint beim Investieren das einzige „free lunch“ zu sein - also das einzige, was nichts kostet. Doch selbst in gut diversifiziert wirkenden Portfolios verstecken sich oft ungewollte Schwerpunkte und Korrelationen. Die Folge: Bestimmte Strategien erhalten zu viel Gewicht. Oder zu viele nahezu identische Ideen spiegeln sich im Portfolio wider, mit der Gefahr von Klumpenrisiken. In einem schwierigen Marktumfeld, in dem klassische Korrelationen zusammenbrechen, kann das zu unangenehmen Überraschungen führen. Genau dann zeigt sich, wie wertvoll eine gute Portfoliokonstruktion ist.
„Portfolios auf die schlimmsten Worst-Case-Szenarien auszurichten, kann in guten Zeiten überflüssig erscheinen oder, wie manche finden, unnötig kompliziert“, erklärt Euan Munro, Chief Executive Officer bei Aviva Investors. „Ereignisse wie die globale Finanzkrise oder COVID-19 machen aber deutlich, dass es sich lohnt, Portfolios so ‚wasserdicht‘ wie möglich zu machen, besonders weil es einfach viel gibt, was wir nicht wissen können.“
Aus den besten Ideen viel herausholen und Ineffizienzen angehen
Beim Aufbau eines Portfolios wird klar, wie Investmentideen optimal in die Praxis umgesetzt werden können.
Ziel einer effektiven Portfoliokonstruktion ist es, die risikobereinigten Erträge unter vorgegebenen Bedingungen zu optimieren und Diversifizierung sowie Resilienz in den Investmentprozess einzubetten. Sicherlich bleibt die Qualität einer Investmentidee oder -strategie von überragender Bedeutung. Aber erst beim Aufbau des Portfolios wird klar, wie diese optimal in die Praxis umgesetzt werden können.
Josh Lohmeier, Head of US Investment-Grade-Unternehmensanleihen bei Aviva Investors, vergleicht das mit einem Rahmen, der die besten Ideen zum Strahlen bringt. „Jeder gelungene Prozess der Portfoliokonstruktion basiert auf guten, besonderen Ideen. Bei der Portfoliokonstruktion geht es darum, um diese guten Ideen herum ein Portfolio aufzubauen, das auf Widerstandsfähigkeit und Schutz bei Verlusten abzielt.“
Ein robuster und reproduzierbarer Prozess der Portfoliokonstruktion kann auch dazu beitragen, ungewollte Schwerpunkte und Korrelationen aufzudecken und auszumerzen. So können Investoren höhere Erträge erzielen, ohne zusätzliche Risiken einzugehen. Das gilt sowohl für Fonds, die in börsengehandelte Assets wie Anleihen und Aktien investieren als auch für Sachwerte wie Infrastruktur und Immobilien.
Aktive Manager verfolgen bei der Portfoliokonstruktion oft einen einfachen Bottom-up-Ansatz. Sie kaufen Wertpapiere, die ihnen gefallen, kaufen die nicht, die ihnen nicht gefallen. Dann schauen sie, ob sie mit dem daraus resultierenden Gesamtrisiko und dem Tracking Error zufrieden sind. Für den Anfang ist das nicht schlecht, spezifischere Risikoallokationstechniken können aber zu widerstandsfähigeren Investmenterträgen beitragen.
„Wenn man sehen will, wie stark man von der ausgesuchten Benchmark entfernt ist, ist der Tracking Error eine wichtige Kennziffer. Optimal für die Risikomessung ist er aber nicht“, stellt Lohmeier fest.
Bei Sachwerteindizes zeigen sich ebenfalls Ineffizienzen, wie Chris Urwin, Director of Real Assets Research bei Aviva Investors, in seiner Analyse der MSCI-Indizes für Gewerbeimmobilien erklärt.1
Selbst die breitesten Immobilienindizes decken Sektoren und Regionen nur unzureichend ab. Und wie bei allen Indizes ergeben sich Indexaufnahme und Gewichtung durch die Nachfrage (nach den Assets) und berücksichtigen nicht die realwirtschaftliche Aktivität der Unternehmen.
Wie sich in den vergangenen Jahren am Aktienmarkt gezeigt hat, kann es zu Verzerrungen kommen, wenn sich die Weise ändert, in der Märkte funktionieren. Investoren, die der Volatilität nicht schutzlos ausgeliefert sein wollen, müssen daher verstehen, wie sie die Portfoliokonstruktion robuster gestalten und auf widerstandsfähige Erträge kommen können.
Diversifizierung: Leichter gesagt als getan
Ist der Tracking Error nicht so wichtig, hat man den Vorteil, dass man auf eine große Anzahl von Assets und Asset-Klassen setzen kann. Diversifikation ist aber mehr als die Zusammenstellung unterschiedlicher Assets. Sie erfordert vielmehr das Verständnis und die sorgfältige Abstimmung der zugrunde liegenden Risikotreiber.
Für den Bereich der Real Assets hat beispielsweise eine Studie des Investment Property Forum die Ertragsschwankungen von mehr als 1.000 britischen Immobilien zwischen 2002 und 2013 untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass Diversifikation schnell erreicht werden kann, da sich die spezifischen Risiken von Immobilie zu Immobilie stark unterscheiden: Schon Portfolios mit 15 bis 20 Assets hätten im Durchschnitt ähnliche Ertragsschwankungen verzeichnet wie der Gesamtmarkt.2
Abbildung 1: Standardabweichung (zehn Jahre) fiktiver Immobilienportfolios

Bei Unternehmensanleihen gibt es viele Renditetreiber, etwa Carry – also die Rendite, die Investoren letztlich zufließt – oder Einschätzungen über Veränderungen von Spreads in verschiedenen Märkten oder Branchen.
Ein guter Risikoansatz kann die Risiken eines Portfolios in unterschiedliche Kategorien zerlegen
Das Aktienrisiko lässt sich nach Höhe der Exponierung in Regionen, Branchen oder Faktoren aufschlüsseln; etwa Stilfaktoren wie Value, Growth, Quality und Momentum oder makroökonomische Faktoren wie Energiepreise oder Zinsen. Gewisse Überschneidungen gibt es. Ein guter Risikoansatz kann aber Risiken eines Portfolios in unterschiedliche Kategorien zerlegen. Investoren müssen erkennen können, ob sie diesen Risiken bewusst ausgesetzt sind – also aufgrund einer gegen den Markt laufenden Einschätzung oder eines gut begründeten Investment Case – oder unbeabsichtigt.
Geringe Korrelation ist alles
Echte Diversifizierung entsteht durch den Aufbau eines Portfolios von Vermögenswerten mit geringer Korrelation untereinander. Ob das gelingt oder nicht, zeigt sich erst wirklich in einer Krise.
„Wir überwachen die Korrelationsstruktur der Portfolios genau – also wie sich die Strategien zueinander verhalten – und nutzen Kennzahlen wie Marginal Contribution to Risk (Grenzrisikobeitrag)“, erklärt Wei-Jin Tan, Spezialist für Anlagerisiken und Portfoliokonstruktion bei Aviva Investors. „Diese Kennzahl signalisiert uns, welche Positionen das Risiko im Portfolio erhöhen, welche es verringern und welche das Risiko kaum erhöhen, die Diversifizierung aber verbessern.“
Abbildung 2: Korrelationsschema bei AIMS-Portfolios: Markt-, opportunistische und risikovermindernde Strategien

Es zahlt sich aus, die Korrelationen zwischen unterschiedlichen Assets laufend zu prüfen, denn diese können sich über die Zeit und unter verschiedenen Bedingungen ändern. Messbar ist das mit der sogenannten Absorptionsmethode. Mithilfe der Principal Component Analysis (Hauptkomponentenanalyse) können Investoren abschätzen, wie viel der Volatilität eines Portfolios durch einen Faktor erklärt werden kann.
Um die Diversifikation weiter zu verbessern, sollten Investoren auch auf Verwerfungen innerhalb eines Portfolios achten. Laut Tan sind solche Verwerfungen Kennzeichen „ungewöhnlicher“ Korrelationen.
Abbildung 3: Marktverwerfungen

Bei der Analyse von Marktverwerfungen wird ein Portfolio über die Zeit betrachtet und geschaut, wie es sich entwickelt hat und wie es den Erwartungen entspricht. Investoren können analysieren, ob sich einzelne Strategien unerwartet verhalten und sie können unter Performance-Gesichtspunkten kritische Bereiche identifizieren.
Konstruktion effizienter Portfolios
Portfoliomanager können mit solchen Methoden die effiziente Allokation von Renditetreibern innerhalb einer Strategie gezielt steuern. Sie unterstützen sie dabei herauszufinden, welche Positionen sie kaufen oder eher nicht kaufen sollten. Sie zeigen aber auch, wie Allokationen zu gewichten und zu strukturieren sind, um die Erträge bei gleichem Risiko zu optimieren.
Die Berücksichtigung der Markteinschätzungen der Investoren kann zusätzlichen Mehrwert bei der Maximierung der Portfolioeffizienz bringen.
Zusätzlichen Mehrwert bei der Maximierung der Portfolioeffizienz kann auch bringen, wenn die Markteinschätzungen der Investoren berücksichtigt werden, etwa um eher auf traditionelles Alpha durch Branchengewichtungen oder über die Renditekurve zu setzen.
Doch ebenso wie die Diversifikation ein Portfolio widerstandsfähiger macht, hilft nach Ansicht von Peter Fitzgerald, Chief Investment Officer Multi-Asset und Makro von Aviva Investors, die Förderung einer offenen Gesprächskultur innerhalb von Investmentteams beim Prozess des Portfolioaufbaus.
Fitzgerald betont etwa, dass Teammitglieder ermutigt werden, auch abweichende Meinungen zu äußern. „Es geht letztlich darum zu verstehen, was wir vielleicht übersehen haben, und unerkannte Risiken aufzudecken“, ergänzt er. „Bei sehr kontroversen Debatten fließt die Ansicht von jemandem mit völlig anderer Meinung vielleicht nicht ins Basisszenario ein, wird aber in einem der Risiko-Szenarien berücksichtigt.“
Resilienz als Ziel
Das kann auch dazu beitragen, unerwünschte Schwerpunkte aufzudecken und deren Einfluss zu verringern. Portfoliomanager sind in der Regel sehr davon überzeugt, dass sie die Performance gut vorhersagen können. Dies führt tendenziell zu riskanteren Allokationen.
Wir neigen dazu, optimistischer in die Zukunft zu blicken, auch weil wir davon ausgehen, mehr Kontrolle über das Geschehen zu haben, als es tatsächlich der Fall ist
Dies gilt aber nicht nur für sie. „Wir neigen dazu, optimistischer in die Zukunft zu blicken, auch weil wir davon ausgehen, mehr Kontrolle über das Geschehen zu haben, als es tatsächlich der Fall ist“, stellt Annie Duke, Gewinnerin der Pokerturnierserie World Series of Poker und Autorin von „Thinking in Bets: Making Smarter Decisions When You Don’t Have All the Facts“ fest. „Wenn wir vor Entscheidungen stehen, ignorieren wir tendenziell Risiken. Das nennt man Kontrollillusion.“
All das ist nicht nur wichtig vor der Umsetzung einer neuen Idee, auch die konstante Überwachung von Strategien ist essenziell um zu prüfen, ob diese sich wie erwartet verhalten und wenn nicht, aus welchem Grund.
Ist die Resilienz eines Portfolios das Ziel, geht es darum, dass im Portfolio die wichtigsten Anlageideen optimal umgesetzt werden, die Strategie aber nicht völlig scheitert, wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse liefert. Noch weiter verbessert werden kann das durch die Einbeziehung von Sensitivitätsanalysen von Anlageideen oder der Analyse von Portfolios in verschiedenen Szenarien. Diese Szenarioanalysen legen offen, wie hoch das Risiko bei der Suche nach Erträgen ist und was mit einem Portfolio passieren kann, wenn die zentrale Idee nicht greift.
Aus dem Schatten
Auf die Vorteile der Portfoliokonstruktion hinzuweisen wäre die meiste Zeit während der vergangenen zehn Jahre auf taube Ohren gestoßen, denn die extrem lockere Geldpolitik hat es leicht gemacht, durch einfaches (und günstiges) Engagement in vielen Anlageklassen ordentliche Renditen zu erzielen. COVID-19 – dessen Auswirkungen Unternehmen, Branchen und ganze Volkswirtschaften massiv geschädigt haben – hat die Debatte allerdings verändert.
Portfolios aufzubauen, die sich unter den schwierigsten Umständen bewähren, ist keine Frage des Glücks, sondern der Portfoliokonstruktion
Portfolios aufzubauen, die sich unter den schwierigsten Umständen bewähren, ist keine Frage des Glücks, sondern der Portfoliokonstruktion. Diese basiert auf soliden Investment- und Risikomanagementprozessen sowie auf gutem, altmodischem Können und Urteilsvermögen. In den Boomjahren ungerechtfertigterweise als teure Mauerblümchen-Wissenschaft bezeichnet, hat die Portfoliokonstruktion nun die Chance zu glänzen.