Einst als Heimat der Nachahmer und Fälschungen verschrien, ist China jetzt eine Brutstätte für technologische Innovationen und wird den Westen schnell einholen.

Im Januar 2018 wurden bei der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas die neusten Geräte von Technologieunternehmen aus aller Welt vorgestellt.

Internetunternehmen wie Alibaba und Baidu sind auf Gebieten, auf denen einst US-Unternehmen vorherrschten, wegweisend.

Roboterhunde wuselten im Konferenzzentrum über den Boden, autonome Autos funkelten auf Drehplattformen und Prototypen von Drohnen schwirrten durch die Deckenstruktur.

Normalerweise sind auf der CES US-Unternehmen vorherrschend. In diesem Jahr fiel allerdings die verstärkte Präsenz chinesischer Unternehmen auf. Mehr als ein Drittel der 4000 Aussteller stammten aus China. Viele von ihnen haben ihren Sitz in der Stadt Shenzhen im Süden des Landes, die sich als Technologie-Drehscheibe schnell zur Rivalin des Silicon Valley entwickelt. Zu den vorgestellten chinesischen Produkten zählten Virtual-Reality Devices und smarte Autos mit Gesichtserkennungssoftware.

Auf der CES wurde deutlich, dass China eine Brutstätte für Innovation wird, wobei sich der Ehrgeiz nicht auf Geräte für Verbraucher beschränkt. Motiviert durch die Regierungsinitiative ‚Made in China 2025‘ entwickeln chinesische Hersteller hochmoderne Industrieroboter und Hochgeschwindigkeitszüge. Internetunternehmen wie Alibaba und Baidu sind auf Gebieten, auf denen einst US-Unternehmen vorherrschten - z. B. künstliche Intelligenz -  zunehmend richtungsweisend, während in chinesischen Städten ganze Ökosysteme umtriebiger Technologie-Start-ups entstehen.

„In China gibt es eine ziemlich ansteckende Innovations- und Unternehmerkultur“, so Professor Erik Brynjolfsson, Leiter der Initiative on the Digital Economy des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Experte für Innovationsökonomik. Als einen Faktor für den Aufstieg der „unregulierten Innovation“ in China führt er einen Mangel an rechtlichen Hindernissen an.

Welche geopolitischen und wirtschaftlichen Folgen hat der Innovationsboom in China? Und wie sollten die Anleger auf die Schwerpunktverlagerung von West nach Ost bei der Vorherrschaft im Technologiesektor reagieren?

Der Schock des Neuen

Um zu verstehen, warum die chinesische Regierung unbedingt den technologischen Fortschritt vorantreiben will, ist es wichtig, sich die Rolle der Innovation für das Wirtschaftswachstum bewusst zu machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts identifizierte der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter fünf verschiedene Arten der Innovation: die Einführung neuer Produkte, neue Produktionsmethoden, die Erschließung neuer Märkte, neue Versorgungsquellen und neue Organisationsstrukturen.

Die Kombination dieser Faktoren, so argumentierte er, führt zu der „schöpferischen Zerstörung“, die für schnelles Wirtschaftswachstum sorgt.

Ostasien war im Laufe des letzten halben Jahrhunderts ein Schmelztiegel für derartige Entwicklungen. In der Nachkriegszeit brachte es Japan zum Wohlstand, indem das Land in Bildung und neue Technologie investierte. Diesem Vorbild folgten die ‚Tigerstaaten‘ Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur. Diese Länder widmeten sich zunächst dem grundlegenden verarbeitenden Gewerbe und wendeten sich dann im Laufe ihrer Entwicklung geschickt Sektoren mit höherem Mehrwert zu.

China hat von ihrem Beispiel gelernt.

Die schnelle Entwicklung des Landes seit der ‚Reform- und Öffnungspolitik‘ unter Deng Xiaoping in den 1980er Jahren war dem Einsatz der zahlreichen Arbeitskräfte Chinas zu verdanken, die Produkte für den Export auf dem internationalen Markt herstellten, zunächst in Niedriglohnsektoren wie Textilien und in jüngerer Zeit auch in komplexeren, kreativeren Bereichen.

Internetunternehmen wie Alibaba und Baidu sind auf Gebieten, auf denen einst US-Unternehmen vorherrschten, wegweisend.

Made in China

China tätigt hohe Investitionen in auf Roboter-Automatisierung basierende Fabriken und Montagestätten

Die chinesische Regierung möchte aus diesem Fortschritt gerne Kapital schlagen. Trotz des erstaunlichen Aufstiegs Chinas während der letzten drei Jahrzehnte bleibt das Land bei der High-end Fertigung nach wie vor hinter den USA und den westeuropäischen Ländern zurück. Das motivierte zum Plan ‚Made in China 2025‘, der 2015 offiziell eingeführt wurde. Die Initiative nach dem Vorbild des deutschen Projekts ‚Industrie 4.0‘ soll dazu dienen, durch gezielte Regierungsinvestitionen für Innovation im Technologiesektor zu sorgen.

„Bei Made in China geht es um die Verbesserung der derzeitigen Produktionsbasis,“ so Xiaoyu Liu, Schwellenmarkt-Fondsmanager bei Aviva Investors in London. „Das Risiko für China besteht darin, durch die Entwicklung in die Mitte der Wertschöpfungskette zu geraten, zwischen Länder mit billigen externen Arbeitskräften und Länder, in denen die Herstellung von besserer Qualität ist, wie die USA und Deutschland.“

China tätigt hohe Investitionen in auf Roboter-Automatisierung basierende Fabriken und Montagestätten, so dass sich die Qualität der Erzeugnisse verbessert. Besonders ist die Regierung am Aufbau einer heimischen Halbleiterindustrie interessiert, um die Abhängigkeit von importierten Computerchips zu verringern. Hierfür sind 100-150 Mrd. $ öffentlicher und  privater Mittel vorgesehen.1

Eine weitere Priorität ist die Luft- und Raumfahrt. In dieser Branche ermutigt die Regierung inländische Firmen zur Zusammenarbeit mit ausländischen Marktteilnehmern, um Expertise hinzuzugewinnen. Im Januar erklärte sich der französische multinationale Konzern Airbus einverstanden, mehr Montageoperationen in einem Werk im ostchinesischen Tianjin durchzuführen, das er als Joint Venture mit der staatlichen Aviation Industry Corporation of China (AICC) betreibt. Airbus wird umfassenderen Zugang zum derzeit weltgrößten Markt für Verkehrsflugzeuge erhalten, während AICC Wissen auf dem Gebiet der Triebwerkkonstruktion und bei Engineering-Methoden hinzugewinnen wird.

Kritikern zufolge kommt der Eifer Chinas beim ‚Wissenstransfer‘ mit westlichen Firmen einem staatlich finanzierten Industriespionageprogramm gleich.

Robert Atkinson, Vorsitzender des Think Tank Information Technology and Innovation Foundation, informierte den US-Kongress im letzten Jahr, dass Made in China eine aggressive Strategie sei, die mit allen Mitteln den Markt manipulieren wolle und frevelhaft amerikanisches Know-how stehle und Wissenstransfer erzwinge.  

Die Trump-Regierung hat eine Überprüfung der Praktiken Chinas im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum angeordnet, die einseitige Sanktionen gemäß § 301 des Handelsgesetzes zur Folge haben könnten. Ob der Vorwurf des Diebstahls gerechtfertigt ist oder nicht, spricht einiges dafür, dass es beimTechnologie-Investitionsprogramm der chinesischen Regierung nicht nur um die Verbesserung von Wachstum und Produktivität geht.

Technologie und der Staat

Für Anleger, die hoffen, zu verstehen, wo bei der chinesischen Innovation der nächste Schritt nach vorn erfolgen wird, ist es nützlich, die allgemeineren Ziele der Regierung zu verstehen. Wir wollen als Beispiel ein Gebiet der Industrietechnologie wählen, auf dem China weltweit führend wird: maschinelles Sehen. Unternehmen, die Industriemaschinen mit Sensoren ausstatten, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Bilder erfassen und erkennen können, können Elemente der Fertigungslinie automatisieren und die Qualitätskontrolle verfeinern.

Aber auch bei der Überwachung ist diese Technologie nützlich. Das Unternehmen HikVision aus Hangzhou ist nicht nur auf dem Gebiet der Industriekameras und Sensoren führend, sondern auch auf die Herstellung modernster CCTV-Kameras spezialisiert. Der größte Aktionär von HikVision ist das staatliche chinesische Unternehmen China Electronics Technology Group, das Einsatzmöglichkeiten für seine Produkte bei der Überwachung der Bevölkerung und der Früherkennung ziviler Unruhen findet - eine der obersten Prioritäten der Regierung Xi Jinpings.

„Der chinesische Staat steckt im Wesentlichen hinter dieser Innovation,“ so Max Burns, Senior Research Analyst für Industriewerte bei Aviva Investors.

„Das Bedürfnis, die Bürger sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet zu überwachen, sorgt für starkes Wachstum bei künstlicher Intelligenz und Gesichtserkennung. HikVision hat hochentwickelte Gesichtserkennungssoftware entwickelt, die ein unbekanntes Gesicht in einer Menge identifizieren und sich auf es konzentrieren kann. Das Unternehmen hat sowohl Investitionen seitens der Regierung als auch von zahlreichen Aktienfonds erhalten, die auf künstliche Intelligenz für Automatisierung spezialisiert sind.“

Aus ähnlichen Gründen hat Peking auch enge Beziehungen zu den drei chinesischen Internet-Giganten Baidu, Alibaba und Tencent (die sog. BAT) aufgebaut. Im Gegensatz zu den großen Technologieunternehmen im Westen, die in den letzten Jahren im Hinblick auf das Teilen von Nutzerdaten auf Abstand zu den Regierungen gegangen sind, liefern die BAT dem Staat üblicherweise Informationen über das Online-Verhalten ihrer Kunden, die zu den 42 Milliarden Internet-Aufzeichnungen hinzukommen, die die Regierung jeden Monat direkt sammelt.3

Diese Datenmasse erleichtert die Entwicklung des geplanten ‚sozialen Kreditsystems‘ zur Überwachung der Finanzen, des politischen Gehorsams und des mutmaßlichen Bürgersinns der Bürger. In Szenen, die aus der satirischen TV-Serie Black Mirror stammen könnten, informiert das chinesische Hochgeschwindigkeitszug-System die Passagiere bereits, dass unsoziales Verhalten zu einer Herunterstufung der Bewertung im sozialen Kreditsystem führen kann.

China tätigt hohe Investitionen in auf Roboter-Automatisierung basierende Fabriken und Montagestätten

Online-to-offline innovation

In China geht es bei der Innovation jedoch um mehr als nur eine autoritäre Regierung, die ihre Bürger unter Kontrolle haben möchte. China hat stark in hochqualitative Bildung für seine Bürger investiert, so dass das Land jetzt 2,8 Millionen Graduierte in Wissenschaften und Ingenieurwissenschaften hervorbringt. Das ist fünfmal mehr als in den USA, auch wenn die USA auf Pro Kopf-Basis führend bleiben.4

Um Universitäten von besserer Qualität herum (z. B. Guangzhou, Peking, Shanghai und Hangzhou) entstehen Technologiecluster, da die Unternehmen bemüht sind, die besten Diplomierten anzuziehen. Die BAT zählen zu den Unternehmen, die diese Graduierten für Teams einstellen, die Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die mit den im Westen angebotenen durchaus rivalisieren können.

So zum Beispiel die App WeChat von Tencent. Was als einfacher Messaging-Service begann, funktioniert heute eher wie ein umfassendes Betriebssystem. Die Nutzer können Taxis rufen, Auslandsreisen buchen, einen Tisch im Restaurant bestellen, Spiele spielen, Rechnungen bezahlen und Artikel in physischen Läden kaufen, ohne jemals die App zu verlassen. Brynjolfsson führt China als Weltmarktführer auf diesem Gebiet an, das als ‚O2O‘ bzw. Online-to-Offline-Technologie bekannt ist (siehe ein interview met Erik Brynjolfsson).

Die nahtlose Integration finanzieller Elemente in diese Plattform von Tencent sowie ähnliche Innovationen von Alibaba und Baidu haben China zum Weltmarktführer für Finanztechnologie gemacht. Diese Unternehmen bieten neben digitalen Zahlungen jetzt auch Versicherungen, Vermögensverwaltung und Peer-to-Peer-Kredite an. Sie nutzen ihre Fähigkeit, Daten über potenzielle Kunden zu sammeln, um diesen Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

Die BAT erzielen in bestimmten Bereichen der künstlichen Intelligenz ebenfalls überdurchschnittliche Ergebnisse. So ist Baidu jetzt beispielsweise anerkannter Führer auf dem Gebiet der Spracherkennungstechnologie. Als Microsoft im Oktober 2016 bekanntgab, dass ihre Software menschliche Erkennungsstandards übertroffen habe, tweetete Andrew Ng, Leiter der Forschung bei Baidu, ironisch, dass Baidu dies für die chinesische Sprache bereits ganze zwölf Monate früher erreicht habe.5

Auch wenn sich der Schwerpunkt bei Technologie möglicherweise nach Osten verlagert hat, sind die USA auf vielen Spezialgebieten der künstlichen Intelligenz eindeutig führend. Das von Google entwickelte AlphaGo-Programm, das Strategien entwickelt hat, um menschliche Meister im traditionellen chinesischen Go-Spiel zu schlagen, ist eine symbolische Erinnerung daran, dass die Schwergewichte des Silicon Valley auf vielen Spezialgebieten der künstlichen Intelligenz nach wie vor führend sind.

Fiasko der Fahrräder

Es ist schwer, zu vergleichen, wie die USA und China jeweils bei der allgemeineren Innovation abschneiden. Einige allgemeine Schlüsse kann man allerdings ziehen. Die USA geben mehr für sogenannte ‚Grundlagen- und angewandte‘ Forschung und Entwicklung aus, die sich auf den Prozess früher Entdeckungen und deren Präzisierung bezieht. Sie haben daher in Branchen, die von ersten Durchbrüchen abhängig sind  (z.B.Pharmazie) nach wie vor einen deutlichen Vorsprung, während chinesische Unternehmen um einen Anteil am Weltmarkt kämpfen.

Chinesische Unternehmen sind dagegen extrem versiert in späteren Entwicklungsphasen - d.h., dass sie auf bereits erfolgte Entdeckungen aufbauen und innovative, neue Produkte auf den Markt bringen, z.B. diejenigen, die sich im Kongresszentrum in Las Vegas im Januar rollend und summend ihren Weg durch die Menge bahnten. Mehr als 84 Prozent der chinesischen Forschungs- und Entwicklungsausgaben dienen der Finanzierung von späteren Entwicklungsphasen, während es in den USA laut einer Untersuchung der Boston Consulting Group zwei Drittel sind.6

Das liegt zum Teil daran, dass chinesische Unternehmen Zugang zu einer großen Zahl technologisch versierter Verbraucher haben, die im Vergleich zu denjenigen im Westen bereitwilliger Produkte und Dienstleistungen ausprobieren.7 So konnte China bei der Entwicklung und Vermarktung verbraucherorientierter Technologie wie Drohnen die Oberhand gewinnen: Das in Shenzhen basierte Unternehmen DJI ist jetzt der wichtigste Player auf dem internationalen Markt für Drohnen.

Des Weiteren kamen chinesischen Unternehmen laut Jason Bohnet, Senior Research Analyst bei Aviva Investors in Chicago, relativ lockere Vorschriften zur Vermarktung neuer Produkte zugute. „Chinesischen Unternehmen stehen sozusagen alle Möglichkeiten offen, um agil und innovativ zu sein,“ sagt er. „Sie können etwas neues ausprobieren und sagen: ‚Was wäre das schlimmste, das passieren könnte‘? Denn sie wissen, dass wenn ihnen ein Durchbruch gelingt oder sie eine Lösung für ein Problem finden, der chinesische Staat ihr wichtigster Förderer sein wird.“

Die gnadenlose chinesische Branche für Leihfahrräder ist ein Fallbeispiel dafür, wozu diese deregulierte ‚Massenschlägerei‘ in der neuen Technologie führen kann; sie ist ein Beispiel dafür, wie die von Schumpeter erwähnte ‚schöpferische Zerstörung‘ konkret funktioniert. Chinesische Unternehmen zählten zu den ersten, die Technologie auf der Basis von GPS entwickelten, um Bike Sharing ohne Docking-Stationen nach dem Prinzip von Uber zu ermöglichen. Es entstanden unzählige Unternehmen, die sich am Wettbewerb beteiligten und den Markt mit Fahrrädern überschwemmten. Viele von ihnen verschwanden jedoch schnell wieder aus dem Geschäft und hinterließen unzählige demolierte Fahrräder in den Straßen.8

Eine mit Leihfahrrädern zugestellte Straße in Peking.12

In chinesische Technologiewerte investieren

Aufgrund der schnellen Veränderung kann es für ausländische Anleger schwierig sein, Strategien zu entwickeln, um vom Wachstum in China zu profitieren. Liu ist jedoch davon überzeugt, dass sich denjenigen, die über entsprechende Erfahrung vor Ort verfügen, Chancen bieten.

„Wer die Vorreiter an diesen schnell wachsenden Märkten identifizieren kann, hat Aussicht auf hohe Gewinne,“ sagt sie. „So betrug die jährliche Rendite von Tencent in den letzten fünf Jahren beispielsweise mehr als 50 Prozent, und während des letzten Jahrzehnts lag die Wachstumsrate In manchen chinesischen Technologieunternehmen bleibt die Corporate Governance ein Problem. Derartige Probleme stellen sich jedoch in Technologieunternehmen in der ganzen Welt.“

Gut eingeführte chinesische Technologieunternehmen werden als Anlagen immer teurer - der Aktienkurs von Alibaba stieg im letzten Jahr um 96 Prozent - aber von einer Spekulationsblase kann laut Liu noch nicht die Rede sein. „Es handelt sich nicht um eine Technologie-Base wie in den 2000er Jahren. Auch wenn die Bewertung der großen Internetgesellschaften über ihrem historischen Durchschnitt liegt, werden sie durch starkes Gewinnwachstum und Cash-flow-Generierung gestützt. Anleger müssen in Zukunft allerdings ihre Auswahl gut überdenken.“

Da das Durchsetzungsvermögen und der Einfluss der BAT zunehmen, beeinflussen sie die Landschaft für Start-ups immer mehr, was den Anlegern dabei helfen kann, mögliche Gewinner und Verlierer in neuen Branchen zu bestimmen. Mobike und Ofo, zwei Unternehmen, die den Boom und die Pleite des chinesischen Bike-sharing-Sektors überlebten, werden jeweils von Tencent und Alibaba finanziert.

Die BAT werden auch über die Grenzen Chinas hinaus zu einflussreichen Investoren in der Technologiebranche. Tencent hat kleine Beteiligungen an Snap, Spotify und Tesla übernommen. „Die chinesischen Großunternehmen haben den Vorteil, dass sie außerhalb Chinas Geschäfte machen können. Ihre ausländischen Wettbewerber können hingegen aufgrund der durch die Regierung verhängten Einschränkungen nicht nach China kommen,“ so Bohnet.

Trotz der steigenden Bewertungen der großen Internetunternehmen lässt Research darauf schließen, dass die Anleger wenn überhaupt das Potenzial für weitere Innovation und weiteres Gewinnwachstum bei chinesischen Unternehmen unterbewerten. Eine kürzlich von UBS durchgeführte Analyse von F&E-Ausgaben und Gewinnwachstum fand heraus, dass die Anleger sich erst einmal des vollen Ausmaßes des Fortschritts Chinas in technologieorientierten Sektoren bewusst werden müssen, was zu einer allmählichen Neubewertung der Aktien des Landes innerhalb der nächsten fünf Jahre führen könnte.9

Anlagen in chinesische Technologiewerte sind auch weiterhin mit Risiken verbunden, nicht zuletzt die potenziell unvorhersehbare Rolle der Regierung, die plötzlich gegen Sektoren durchgreifen kann, die bis dahin nicht reguliert waren.

(wie das 2016 und 2017 im Finanztechnologie-Sektor der Fall war) oder einen großen Marktteilnehmer in die Schranken weisen, was der Fall war, als Baidu verwarnt wurde, weil in der Suchmaschine des Unternehmens nicht lizenzierte Werbung für medizinische Behandlung zu finden war. Hierdurch ging der Aktienkurs des Unternehmens stark zurück10

Auf der anderen Seite kann die Unterstützung der Regierung Unternehmen, die auf prioritären Gebieten wie der fortgeschrittenen Herstellung tätig sind, Auftrieb verleihen und sowohl in- als auch ausländischen Anlegern, die in der Lage sind, die langfristigen Ziele Chinas zu identifizieren, Vorteile bieten. Aktien des zuvor erwähnten Unternehmens HikVision und von Spezialisten für Roboter-Automatisierung wie Inovance Technology aus Shenzhen und Han‘s Laser Technology erhalten ausländische Anleger über den inländischen Markt für A-Aktien.

Auch in der Elektroauto-Branche spielt die Regierung eindeutig eine Rolle bei der Förderung der Nachfrage und der Schaffung von Anreizen. Peking wies die staatlichen chinesischen Elektrizitätsgesellschaften an, die Installation von Ladestationen zu beschleunigen. Die 300.000 Ladestationen, die es im Dezember 2016 in China gab, stellten das US-Netz mit nur 16.000 Ladestationen Anfang 2017 in den Schatten.11 Diese wachsende Infrastruktur erleichtert neuen Unternehmen wie Byton, einem chinesischen Start-up, das bei der CES mit einem Elektroauto mit Gesichtserkennung Aufsehen erregte, den Aufstieg.

„China schneidet im Hinblick auf Umweltverschmutzung schlecht ab. Das sorgt für große Motivation, umweltfreundlicher zu werden und mehr elektrische und autonome Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Insgesamt verkauft China mehr Elektroautos als alle anderen Länder und wir hoffen, dass das in der absehbaren Zukunft anhalten wird,“ so Bohnet.

Verbünde dich mit den Wettbewerbern, die du nicht übertreffen kannstn

Welche Folgen hat der Aufstieg Chinas für Unternehmen in den Volkswirtschaften der Industrieländer? Burns ist überzeugt, dass Unternehmen mit den Schwerpunkten Industrie und Technologie mit hohen Forschungs- und Entwicklungsbudgets wie das multinationale US-Fertigungsunternehmen 3M, das in den letzten Jahren seine Innovationsausgaben auf sechs Prozent seines Umsatzes erhöht hat, überlegen sein werden, da der Wettstreit um Innovation immer intensiver wird.

Unternehmen, die Erfahrung in der Unterstützung von High-end Fertigungsunternehmen bei der stufenweisen Verbesserung von Effizienz und Qualität haben - wie das japanische Unternehmen Keyance, spezialisiert auf präzise, lasergesteuerte Automatisierungssysteme - könnten auch Dividenden einheimsen, da immer mehr Unternehmen ihre Werke modernisieren möchten, um gegenüber den chinesischen Wettbewerbern führend zu bleiben Auf längere Sicht werden die hohen Investitionen Chinas in die fortgeschrittene Herstellung allerdings Früchte tragen und es ermöglichen, die Lücke zum Westen zu schließen und diesen sogar zu übertreffen, meint Burns. Da sich die Machtverhältnisse ändern, könnten die Anleger beginnen, in bestimmten Sektoren in Unternehmen zu investieren, die entschlossen und in der Lage sind, sich mit einflussreichen chinesischen Wettbewerbern zusammenzuschließen.

Hierbei könnte Europa den USA voraus sein. Während seines Staatsbesuchs in Beijing im Januar 2018 bemühte sich der französische Präsident Emmenuel Macron um einen besseren Zugang zum chinesischen Markt für französische Unternehmen.

Im Rahmen des Besuchs bestätigte Airbus die Ausweitung ihrer Partnerschaft mit AICC, während Tencent und die französische Einzelhandelskette Carrefour ihrerseits eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei E-Commerce-Plattformen ankündigten.

„Durch diese Partnerschaft öffnet sich für Carrefour ein Markt, zu dem das Unternehmen zuvor nur wenig Zugang hatte und sie dürfte ihm theoretisch helfen, sein Wachstumsprofil zu verbessern, ohne Milliarden Euro für den Bau neuer Geschäfte in China investieren zu müssen,“ so Bohnet. „Mit Tencent hat Carrefour einen Partner unter den besten seiner Branche gefunden, und das nutzt das Unternehmen.“

Die Zukunft der Innovation

China, Japan und die westlichen Länder werden mit den unvorhersehbaren Konsequenzen neuer technologischer Innovationen fertig werden müssen, egal ob die Unternehmen dieser Länder zusammenarbeiten oder im Wettbewerb miteinander stehen. Diese Entwicklungen führen in diesen Volkswirtschaften zu einer zunehmenden Verlagerung des Schwerpunkts in Richtung der digitalen Welt.

Das charakteristische politische System Chinas dürfte in dieser Hinsicht wahrscheinlich sowohl Vor- aus auch Nachteile bieten, meint Jonathan Haskel, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Imperial College Business School in London und Coautor von Capitalism Without Capital, einer Studie dazu, wie die Wirtschaft immer stärker von ‚immateriellen Vermögenswerten‘ wie Design, Branding, Software sowie Forschung und Entwicklung anstatt von konkreten Dingen beherrscht wird.

„Die Investitionen der Regierung in die Wissenschaftsbasis könnten in der immateriellen Wirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen, denn je wichtiger immaterielle Werte für Unternehmen werden, je stärker werden sie sich dem öffentlichen Sektor zuwenden, der die grundlegenden wissenschaftlichen Kenntnisse bereitstellen soll, die den Unternehmen als Grundlage für die Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte dienen,“ so Haskel. „Es ist daher von Vorteil, dass das chinesische System zentralisiert ist und hohe Investitionen in die Wissenschaft tätigt.“

Haskel weist jedoch auch darauf hin, dass ‚immaterielle‘ Vermögenswerte üblicherweise in dezentralisierten Volkswirtschaften gedeihen, die das Experimentieren fördern und guten Schutz für geistiges Eigentum bieten. Ein Merkmal immaterieller Vermögenswerte ist der „Spillover-Effekt‘ - andere Unternehmen können neue Konzepte und Entwürfe relativ leicht kopieren. So wird es für Unternehmen besonders wichtig, ihr geistiges Eigentum zu schützen. „Da geistiges Eigentum in China weniger gut geschützt wird, kann das bedeuten, dass auch die Investitionen geringer sind,“ erklärt Hasket.

Chinesische Unternehmen melden heute mehr internationale Patente an als die Unternehmen irgendeines anderen Landes, und Peking hat neue Mechanismen für einen besseren Schutz des geistigen Eigentums der Unternehmen im eigenen Land eingeführt, u. a. spezielle Gerichte. „Der Patentschutz in China liegt immer noch hinter dem Westen zurück, aber die Situation verbessert sich,“ so Liu.

Selbstgefälligkeit der westlichen Unternehmen wäre sicherlich nicht angebracht, denn sie müssen weiter innovieren, um mit ihren chinesischen Wettbewerbern Schritt zu halten. Das wurde in den klimatisierten Konferenzräumen der CES in Las Vegas deutlich, wo China zeigte, dass es seinem Ruf als Land der Nachahmer und Fälschungen bereits nicht mehr gerecht wird und sich zu einer eigenständigen technologischen Macht entwickelt. Glanzvolle Verbraucherelektronik ist hier nur der Anfang 

Quellenangaben

1 ‚Chips on their shoulders‘, The Economist, Januar 2016

2 ‚China's push to become a tech superpower has triggered alarms abroad,‘ Financial Times, März 2017

3 ‚China invents the digital totalitarian state‘, The Economist, Dezember 2016

4 ‚The challenge of China's rise as a science and technology powerhouse‘, Brink Asia, August 2017

5 ‚Is China outsmarting America in AI?‘, New York Times, Mai 2017

6 ‚An innovation-led boost for US manufacturing‘, BCG, April 2017

7 Siehe The China effect on global innovation, McKinsey Global Institute, Juli 2015

8 ‚China's bike-share graveyard a monument to industry's arrogance‘, The Guardian, November 2017

9 Siehe Tiger sparks: Is Asia's innovation boom creating a new world order?, UBS, September 2017

10 ‚China curbs Baidu healthcare ads business after student's death‘, Reuters, Mai 2016

11 ‚US now has 16,000 public electric vehicle charging stations with 43,000 connectors‘, Electrek, Juni 2017

12 Fotos: zhangjin_net / Shutterstock.com

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