Da der Klimawandel in der politischen Debatte im ganzen Westen und darüber hinaus an Bedeutung gewinnt, spielen auch die Aktionäre eine wichtige Rolle dabei, den weltweiten Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, indem sie Ölunternehmen unter Druck setzen, ihre Strategien zu ändern, erläutert Sora Utzinger.
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An der letzten Jahreshauptversammlung des Ölunternehmens am 21. Mai stimmten die Aktionäre von BP mit überwältigender Mehrheit für eine Resolution, gemäß der die Geschäftsstrategie am Ziel des Pariser Klimaabkommens zur Bekämpfung der globalen Erderwärmung ausgerichtet werden muss.
Obwohl BP deutlich in seine Geschäftssparte für erneuerbare Energien investiert, plant das Unternehmen auch eine Ausweitung der Öl- und Gasproduktion. Die Resolution, die Aviva Investors gemeinsam mit Hermes und L&G mitsponserte, verlangt von dem Unternehmen jedes Mal eine Beurteilung, ob neue Projekte im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind. Dieses zielt darauf ab, die globale Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf deutlich unter 2 °C gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, den Anstieg sogar auf nur 1,5 °C zu beschränken.
Die BP-Resolution wurde von der Sorge getrieben, dass das Unternehmen nicht ausreichend Informationen zur Verfügung stellt, damit Anleger bewerten können, ob die Unternehmensstrategie – insbesondere die geplanten Investitionen in die Vorkommen fossiler Brennstoffe – zur Erreichung der Pariser Ziele beiträgt. Dies wiederum machte es schwierig, den langfristigen Investitionsfall abzuwägen.
Obwohl diese Resolution ein Schritt in die richtige Richtung ist, liegt noch einiges an Arbeit vor BP, um mit europäischen Konkurrenten wie Repsol, Shell und Total gleichzuziehen, die allesamt bereits begonnen haben, Verantwortung dafür zu übernehmen, wie ihre Produkte verwendet werden.
Diese drei Unternehmen zielen darauf ab, die Menge an Treibhausgasen zu reduzieren, die sie und ihre Endnutzer ausstoßen. Zum einen stärken sie dafür ihre Investitionen in erneuerbare Energiequellen, zum anderen verlagern sie ihre Produktion fossiler Brennstoffe weg von „schmutzigeren“ Formen der Energiegewinnung wie Teersanden und Kohle, die pro Einheit produzierter Energie mehr Kohlenstoffdioxid ausstoßen, in Richtung Erdgas.
Außerhalb des Anwendungsbereichs?
Obwohl BP versuchen wird, die Energieeffizienz seiner Abläufe durch Reduzierung der Abfackelung und Verringerung der Methanemissionen zu verbessern, hat sich BP bisher noch nicht verpflichtet, die sogenannten „Scope 3-Emissionen“ zu senken.
Es stimmt natürlich, dass das Unternehmen in den letzten Jahren seine Upstream-Strategie, weg von Öl und in Richtung Gas und flüssigem Erdgas (LNG), orientiert hat. Obwohl BP mehr als die meisten seiner Konkurrenten vom Öl abhängig ist – das derzeit mehr als 60 % seines Produktionsmixes entspricht – beabsichtigt das Unternehmen, bis Mitte des nächsten Jahrzehnts dafür zu sorgen, dass Gas mindestens die Hälfte seiner Produktion ausmacht. BP hat zwar angekündigt, künftig die Kohlenstoffintensität einzuschätzen, die sich aus der Nutzung seiner Produkte ergibt.Dies ist jedoch nur von geringem Nutzen, wenn es darum geht, das Problem der Erderwärmung zu bekämpfen, da diese Kennzahl als Netto-Emission je produzierter Energieeinheit angegeben wird. Im Endeffekt lässt sich festhalten, dass es ohne absoluten Grenzwert nichts gibt, das ein Unternehmen wie BP davon abhalten kann, seine Kohlenwasserstoff-Geschäfte weiter auszubauen.
Und obwohl das Unternehmen sich zudem verpflichtet hat, pro Jahr 500 Mio. USD (etwa 3 % des jährlichen Gesamtinvestitionsvolumens) für kohlenstoffarme Aktivitäten aufzuwenden und 100 Mio. USD in Projekte zu investieren, die helfen können, Emissionen zu reduzieren, die sich aus seinen vorgelagerten Öl- und Gasgeschäften ergeben, wirken diese Zahlen im Vergleich zu den Tätigkeiten der Konkurrenz eher bescheiden.
Shell beispielsweise hat sich verpflichtet, das Jahresbudget seiner Abteilung für neue Energien ab 2020 zu verdoppeln – auf 4 Mrd. USD. Sein Fokus auf den Erwerb sauberer Energie-Anlagen scheint darauf hinzuweisen, dass das Management die langfristigen Risiken für die weltweite Nachfrage nach Öl erkannt hat, die von den politischen Entscheidungsträgern auferlegt werden und die sich aus der zunehmenden Elektrifizierung der Transportbranche ergeben.
Unterstützender Beitrag
Unternehmen wie BP können die Klimakrise nicht selbst lösen. Andere wirtschaftliche Akteure wie etwa Automobil- und Flugzeughersteller sowie die Endkunden müssen auch ihren Teil beitragen. Am wichtigsten ist jedoch, dass die Regierungen weltweit die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen mit den nötigen Anreizen sowie Strafen festlegen.
Trotzdem unterschätzen die Kapitalmärkte und die Unternehmen derzeit die Geschwindigkeit und das Ausmaß, in dem die Aufsichtsbehörden tätig werden könnten, um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Damit Unternehmen wie BP weiterhin wettbewerbsfähig bleiben und langfristigen Wert generieren, muss sich ihre Strategie ändern. Die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen stellt sowohl finanziell als auch strategisch eine mehrjährige Verpflichtung dar und die Ölkonzerne müssen ihre Strategie hinsichtlich des langfristigen Trends zu kohlenstoffarmer und erneuerbarer Energie festlegen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ölunternehmen generell aufhören müssen, in die Vorkommen fossiler Brennstoffe zu investieren – sie müssen sich aber bewusst sein, dass sie sich dadurch dem sogenannten Risiko „gestrandeter Vermögenswerte“ aussetzen, da es eine Obergrenze für die Anzahl neuer Projekte gibt, die fortgeführt werden können. Der CEO von Shell, Ben van Beurden, sagte 2017 dazu: „Das bedeutet, nur mit den Investitionen fortzufahren, die klimapolitisch wettbewerbsfähig sind.“1
Schliesslich müssen sie einen von zwei Ansätzen verfolgen. Sie könnten sich für einen „geordneten Rückgang“ entscheiden, der sich auf eine Maximierung der Renditen aus dem bestehenden Portfolio konzentriert und keine neuen Projekte mehr genehmigt, die sich als für ein bestehendes Kohlenstoff-Budget unpassend erwiesen haben. Folglich würde die vorgelagerte Produktion langsam nachlassen und überschüssige Barmittel würden an die Anleger ausgeschüttet. Eine zweite Option bestünde darin, freien Cashflow für eine Diversifizierung einzusetzen, das heißt, in anderen Sektoren – insbesondere erneuerbaren Energien – tätig zu werden und dabei den gleichen klimapolitisch eingeschränkten Ansatz bezüglich der Kohlenwasserstoffsparte zu verfolgen.
Die Ölunternehmen haben bei der Gründung eines Geschäftsbereichs für erneuerbare Energien häufig einen Wettbewerbsvorteil. So verfügt Shell beispielsweise durch sein Öl- und Gasgeschäft am Golf von Mexiko über umfangreiche Erfahrung mit den US-amerikanischen Offshore-Vorschriften bezüglich Umwelt und Bohrungen.
Den aggressivsten Wandel in der Strategie vollzog wohl das dänische Unternehmen Dong Energy, das sich im Jahr 2017 vollumfänglich von seinem vorgelagerten Öl- und Gasgeschäft trennte, seinen Namen zu Ørsted änderte und den Fokus auf erneuerbare Energien legte, einschließlich Offshore-Windenergie, Solarenergie und Biomasse. Im November 2018 erklärte sich Ørsted bereit, 500 MW an Wind- und Solarenergie an ExxonMobil für dessen Unternehmungen im Permbecken in Texas und New Mexico zu liefern.
Wertvolle Verpflichtung
Die Aktivitäten der Branche für fossile Brennstoffe drohen den Fortschritt in Richtung der Erreichung der Pariser Ziele zu untergraben. Falls die Kohlenstoffemissionen nicht eingeschränkt werden, könnte sich die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts um sechs Grad erwärmen. Laut einer EIU-Schätzung könnte der damit zusammenhängende Schaden, auf der Basis aktueller Preise, an den Finanzmärkten einen Wert von 43 Bio. USD vernichten.
Besorgniserregend ist, dass wichtige asiatische und amerikanische Öl- und Gasunternehmen ins Hintertreffen geraten, wogegen viele ihrer europäischen Konkurrenten Maßnahmen ergreifen, um eine klimapolitische Strategie zu erarbeiten. Die Offenlegung von Daten stellt weiterhin ein wesentliches Problem dar, da viele staatseigene asiatische Öl- und Gasunternehmen, z. B. Petrochina, keine Emissionsdaten veröffentlichen. Ebenso hat Exxon keine allgemeinen Unternehmensziele zur Emissions-Reduzierung festgelegt und kürzlich den Aktionären die Chance verwehrt, bei der Jahreshauptversammlung über einen Antrag abzustimmen, dass das Unternehmen Ziele zur Senkung der Emissionen festlegen sollte. Tatsächlich ist die vorgelagerte Emissionsintensität des Unternehmens laut einer Untersuchung von CDP, einer gemeinnützigen Umweltschutzorganisation, seit 2013 gestiegen. Indem sich das Unternehmen keine klimabezogenen Vergütungskriterien setzt, hinkt es seinen europäischen Konkurrenten auch hinsichtlich der Klimapolitik hinterher. Im Gegensatz dazu hat sein US-Konkurrent Chevron kürzlich auf Druck der Anleger die Absicht verkündet, Intensitätsziele in seinen direkten Geschäftsbereichen festzulegen. Obwohl das Portfolio von Chevron stark vom Öl abhängig ist, da Gas nur 35 % der Produktion ausmacht, soll der Gas-Anteil durch die Ausweitung eines großen LNG-Projekts bis 2022 zumindest auf 41 % steigen.
Da viel auf dem Spiel steht, nehmen institutionelle Aktionäre eine wichtige Rolle ein, wenn es darum geht, diese Unternehmen zu einer Änderung ihres Verhaltens zu bewegen. Letztlich stellt eine übermäßige Investition in die Öl- und Gas-Branche ein bedeutendes Risiko für die Anleger dar, unabhängig davon, ob die Welt insgesamt entscheidene Schritte ergreift, um den Klimawandel zu mindern. Schliesslich werden Öl- und Gas-Vermögenswerte „stranden“, wenn die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen nachlässt. Oder wenn infolge des Klimawandels übermäßige Kohlenstoffemissionen zu großen finanziellen Kosten führen. Durch die Anlage in Unternehmen, die dem Strandungsrisiko in geringerem Maße ausgesetzt sind und die strategische Schritte ergreifen, um vom Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu profitieren, spielen Vermögensverwalter dabei eine Rolle, für ihre Kunden das Aktionärsvermögen zu schützen.
Für die Nachzügler gilt, auch wenn Veräußerungen manchmal als angenehmere Option gesehen werden: Sobald die Anleger ihre Anteile verkaufen, verlieren sie ihre Möglichkeit, Druck auf die Vorstände der Unternehmen auszuüben, sowohl hinsichtlich persönlichen Engagements als auch des Stimmrechts. Es besteht dann das Risiko, dass diese Anteile von weniger gewissenhaften Aktionären gekauft werden, die nicht daran interessiert sind, die investierten Unternehmen zu nicht finanziellen Angelegenheiten wie Klimawandel oder Menschenrechten zur Rechenschaft zu ziehen. Aus diesem Grund könnte eine vorschnelle Entscheidung zur Veräußerung langfristig gesehen kontraproduktiv sein und den Status Quo unnötig aufrechterhalten.
Das Ergebnis der Jahreshauptversammlung von BP zeigt deutlich, welch großer Nutzen sich ergeben kann, wenn sich institutionelle Anleger eingehender mit den Unternehmen befassen, an denen sie Anteile besitzen. Es beweist, dass wir Ölunternehmen dazu bewegen können, sich nachhaltigeren kohlenstoffarmen Energiequellen zu widmen. Die Verabschiedung dieser Resolution ist jedoch lediglich der Anfang dieses Engagements und wir werden das Unternehmen in den nächsten Monaten genau beobachten, um zu sehen, wie es die Resolution in die Tat umsetzt.