Die wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer steht an einem Wendepunkt, und der zukünftige Kurs muss unter Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen festgelegt werden.

Die Schwellenländer sind in den letzten Jahrzehnten zu den dynamischsten Wachstumsmotoren der Welt geworden und haben eine beeindruckende Anzahl neuer Unternehmen, technologischer Innovationen und Verbrauchertrends hervorgebracht.

Ungefähr 30 Prozent der Unternehmen in den 2018 Fortune Global 500 sind dort beheimatet (ein vierfacher Anstieg gegenüber den sieben Prozent im Jahr 2005 gemäß Forschungsergebnissen der Cornell University1). Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schwellenländer bei einer Betrachtung auf Kaufkraftparitätsbasis nunmehr 60 Prozent des globalen Volumens ausmacht. Dies entspricht einem Anstieg um 24 Prozentpunkte über die letzten 30 Jahre.2 Und trotz des nachlassenden Wachstums vor dem Hintergrund erhöhter Handelsspannungen rechnet Standard Chartered damit, dass China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt im nächsten Jahrzehnt überholen wird und dass sechs weitere Schwellenländer unter den zehn größten Volkswirtschaften der Welt sein werden.3

„Die Entscheidungen, die in den Schwellenländern getroffen werden, werden enorme Konsequenzen haben, und zwar nicht nur für die betroffenen Länder, sondern für den gesamten Planeten“, erklärte Steve Waygood, Chief Responsible Investment Officer bei Aviva Investors.

Der Aufstieg der Schwellenländer

Eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung bringt eine Reihe eigener Herausforderungen in Bezug auf Umwelt, Soziales und Governance mit sich, die in den Schwellenländern immer dringender werden. Nehmen wir zum Beispiel die Verstädterung. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass bis zum Jahr 2050 ca. 2,5 Mrd. Menschen aus dem ländlichen Raum in städtische Gebiete ziehen werden, wobei sich fast 90 Prozent dieser Entwicklung auf die Schwellenländer konzentriert. Die asiatischen Schwellenländer stehen bereits an der weltweiten Spitze mit sieben der zehn größten Megastädte mit mehr als 10 Mio. Menschen: Shanghai, Jakarta, Seoul, Beijing, Guangzhou, Karachi und Delhi. Dabei ist es vielleicht kein Zufall, dass die Region auch einige der am stärksten verschmutzten Städte der Welt umfasst, darunter Neu Delhi in Indien, Dhaka in Bangladesch, Lahore in Pakistan und Kashgar in China.4

Die Überbevölkerung hat eine Reihe von Sozial- und Governance-Problemen verursacht. In China stellen viele Zuwanderer aus dem ländlichen Raum zum Beispiel fest, dass sie in städtischen Slums gestrandet sind. Arbeiterunruhen nehmen zu. Und die Zuwanderer aus dem ländlichen Raum erhalten in den chinesischen Großstädten oft keine soziale Unterstützung, was zur ungleichen Behandlung der Bürger führt.

Gleichzeitig hat die Verstädterung Chinas und anderen Schwellenländern ermöglicht, zu florieren, da ihre Arbeitskräfte mehr Chancen durch Arbeitsplätze mit höherer Produktivität haben, so dass immer mehr Menschen die Armut überwinden können. Für die Regierungen erleichtert die Verstädterung die Bereitstellung von Leistungen wie Infrastruktur, Bildung und Gesundheitsversorgung. Skaleneffekte tragen ebenfalls zur Verbesserung der Effizienz von Unternehmen bei, da Mitarbeiternetzwerke den Austausch von Wissen erleichtern und die Zusammenarbeit an Projekten und die Konkurrenz steigern, so John West, Volkswirt und Autor von Asian Century… on a Knife-edge: A 360 Degree Analysis of Asia’s Recent Economic Development.

„Die Schwellenländer, insbesondere diejenigen in Asien, haben sich seit einigen Jahrzehnten gut entwickelt, sie befinden sich jetzt jedoch an einem kritischen Punkt der wirtschaftlichen Entwicklung“, so West, Executive Director des Asian Century Institute, einer Organisation, die Research und Analysen zu Asien durchführt. „Um ihre Attraktivität für ausländische Anleger aufrechtzuerhalten, müssen sich die Umstände ändern.“

Die Früchte des Wachstums der Schwellenländer zeigen sich vielleicht nirgends so klar wie in den Finanzmärkten. Seit seiner Auflegung am 1. Januar 2001 bis zum 31. Mai 2019 betrug die annualisierte Rendite der Schwellenmarktaktien für den MSCI Emerging Markets (EM) Index in US-Dollar gemessen 8,68 Prozent. Im Vergleich dazu erzielte der MSCI World Index, der die Industrieländer abbildet, 4,84 Prozent, und der MSCI ACWI Index, der Industrie- und Schwellenländer umfasst, verbuchte im selben Zeitraum 4,94 Prozent. Bei einem Vergleich der Sharpe-Ratios, einem Maß für die risikobereinigten Renditen, übertraf der MSCI EM Index mit 0,42 den MSCI ACWI und den MSCI World, die beide im selben Zeitraum eine Sharpe-Ratio von 0,28 hatten.

Trotz des Potenzials für höhere Renditen gibt es jedoch Risiken. Die Schwellenländer übertrafen die Industrieländer in den drei Jahren bis zum 31. Mai 2019, ebenfalls in US-Dollar gemessen, sie hinkten jedoch über fünf und zehn Jahre betrachtet hinter diesen her. Sie haben ebenfalls eine höhere Volatilität aufgewiesen als die Industrieländer, gemessen an den Standardabweichungen der Renditen. Die annualisierte Standardabweichung für den MSCI EM Index betrug 15,58 bzw. 17,42 Prozent über fünf bzw. zehn Jahre. Im Vergleich dazu waren es 13,37 bzw. 11,49 Prozent für den MSCI ACWI und 13,18 bzw. 11,40 Prozent für den MSCI World.

Nachhaltigkeit unter der Lupe

Die Anleger müssen nicht nur die Märkte verstehen, sondern auch sich selbst. Damit sie ihre Anlageziele erreichen, müssen sie ein Gleichgewicht zwischen Anlagerenditen und anderen Zielen wie z. B. ihrer Risikotoleranz wahren. Um kurzfristige Probleme zu vermeiden, kann ein aktives Risikomanagement in Verbindung mit einem längerfristigen Horizont den Anlegern die Möglichkeit bieten, die Wachstumskurve der Schwellenländer effizienter zu erschließen. Viele gehen bei der Anlage in Schwellenländern in der Tat von einem taktischen zu einem verstärkt strategischen Ansatz über. Und dabei richten sie ihre Anlageprozesse enger an ESG-Erwägungen aus, die tendenziell längerfristig sind.

Die zunehmende Einbeziehung von ESG-Kriterien in den Anlageprozess trägt zur Änderung des Verhaltens der Unternehmen in den Schwellenländern bei

„Die zunehmende Einbeziehung von ESG-Kriterien in den Anlageprozess trägt zur Änderung des Verhaltens der Unternehmen in den Schwellenländern bei und hat daher einen Einfluss auf die Bewertungen von Anlagen“, erklärt Rick Stathers, Senior ESG Analyst bei Aviva Investors. „Es geht darum, positive Änderungen zu bewirken und Alpha zu erzielen.“

Es bestehen Anzeichen dafür, dass die Einbeziehung von ESG-Kriterien in den Schwellenländern potenziell auch stärkere Auswirkungen auf die risikobereinigten Renditen haben kann als in den Industrieländern, wie die Abbildungen 1 und 2 zeigen. In Bezug auf die Schwellenländer legte der MSCI EM ESG Leaders Index in den zehn Jahren bis zum 31. Mai 2019 um 9,12 Prozent zu, im Vergleich zu einem Anstieg des allgemeinen MSCI EM Index um 5,38 Prozent. Über denselben Zeitraum entwickelte sich die Performance des MSCI World und des MSCI World ESG Leaders mit einem Anstieg um jeweils ca. 10,5 Prozent ähnlich.

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Was steckt hinter den Zahlen?

ESG-Risiken könnten zur stärkeren Streuung zwischen Schwellenländern, Sektoren und Unternehmen beitragen und bieten daher eine potenzielle Alpha-Quelle, so Alistair Way, Head of Emerging Market Equities bei Aviva Investors. Zunächst einmal hinken die ESG-Praktiken in den Schwellenländern häufig hinter denen der Industrieländer her und Verbesserungen erfolgen mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit. Zweitens trägt eine größere Vielfalt regionaler Faktoren und Einflüsse ebenfalls zu den unterschiedlichen Entwicklungsstadien bei.

Darüber hinaus spielt der Staat bei Unternehmen aus Schwellenländern gewöhnlich eine größere Rolle, wobei staatseigene Unternehmen erheblichen Eingriffen in ihren Betrieb unterliegen, so Way weiter. Die staatliche Kontrolle kann den Anlegern zugutekommen, wenn das Unternehmen augenscheinlich Wettbewerbsvorteile wie z. B. günstigere Finanzierungsbedingungen, Bevorzugung bei der Auftragsvergabe oder einen besseren Kundenzugang hat. Ihre Ziele und Anreize entsprechen jedoch eventuell nicht denen der Minderheitsaktionäre, und Kapitalallokationsentscheidungen basieren eventuell auf politischem Kalkül statt auf finanziellen Motiven.

Unternehmen wie der brasilianische Energieriese Petrobras, an dem der Staat direkt und indirekt 64 Prozent der stimmberechtigten Aktien hält und der Gegenstand eines aufsehenerregenden Korruptionsskandals war, machen oft einen geringeren Anteil an ESG-Indizes aus. Dies, weil sie im Vergleich zu reinen Aktiengesellschaften niedrigere ESG-Bewertungen aufweisen – insbesondere im Governance-Bereich.5 Darüber hinaus sind staatseigene Unternehmen tendenziell in Sektoren tätig, die im Allgemeinen weniger stark in ESG-Indizes vertreten sind, wie z. B. in den Bereichen Energie und Grundstoffe, und im Fall von Petrobras Öl und Gas.

In einer von Cambridge Associates durchgeführten Studie zum Vergleich der Komponenten in den MSCI EM und MSCI EM ESG Indizes vom Juli 2013 bis zum Juni 2016 kam das Beratungsunternehmen zum Schluss, dass der MSCI EM ESG Index aufgrund von niedrigeren ESG-Bewertungen eine starke Untergewichtung bei staatseigenen Unternehmen (SOEs) hatte. Von den 40 größten Unternehmen im Hauptindex, dem MSCI EM Index, sind 13 SOEs. Der EM ESG Leaders Index hatte keine Exposure in 11 der 13 SOEs, und dies leistete einen positiven Beitrag zur Outperformance.6.

Dem Bericht zufolge bestehen „die Bedenken um SOEs bereits so lange, dass man sich fragt, wie es möglich sein kann, dass sie von den Märkten nicht bereits umfassend eingepreist wurden“. „Der ESG-Bewertungsprozess konnte hier jedoch eindeutig leistungsschwächere Unternehmen identifizieren.“

Ähnliche Bedenken bestehen in Bezug auf Familienunternehmen oder solche mit einem relativ geringen Anteil der Aktien im Streubesitz. Diese stehen tendenziell unter einem geringeren Druck, in Bezug auf Angelegenheiten wie die Unabhängigkeit des Verwaltungsrats Best Practices zu befolgen, und sie haben daher mit größerer Wahrscheinlichkeit niedrigere ESG-Bewertungen und sind daher weniger stark in EM ESG-Indizes vertreten.

Durch die Beobachtung und den Austausch mit Unternehmen in Bezug auf ein breites Spektrum von ESG-Indikatoren können die Anleger besser fundierte Entscheidungen treffen

Im derzeitigen Marktumfeld können aktienspezifische Risikoereignisse wie z. B. Corporate Governance-Probleme von den Märkten stark abgestraft werden. Daher gewinnen ESG-Erwägungen bei der Beurteilung der Risiken noch mehr Bedeutung, erklärt Way. Durch die Beobachtung und den Austausch mit Unternehmen in Bezug auf ein breites Spektrum von ESG-Indikatoren können die Anleger besser fundierte Entscheidungen treffen.

„Um mittelfristig starke, nachhaltige Anlagerenditen für unsere Kunden zu erwirtschaften, müssen wir verstehen, welche unternehmens- und branchenspezifischen Faktoren ausschlaggebend sind“, erläutert Way. „ESG-Kriterien spielen hier eine wichtige Rolle.“

BIP versus BIP pro Kopf

John West vom Asian Century Institute ist der Ansicht, dass die Entwicklungsländer vor einem wesentlichen Wendepunkt stehen, wo sie verschiedene Hindernisse überwinden müssen, um zu Volkswirtschaften mit höherer Mehrwertschöpfung zu werden. Einige entsprechende Lösungen erfordern ESG-Verbesserungen.

Ein nachlassendes Wachstum geht mit wachsenden Schuldenständen in den Schwellenländern einschließlich von China einher. Das allgemeine BIP mag zwar weiterhin wachsen, das BIP pro Kopf bleibt jedoch weit hinter dem der Industrieländer wie den USA, dem Vereinigten Königreich, Japan und Deutschland zurück, wie Abbildung 3 zeigt.

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„Sofern keine umfangreichen neuen Reformen durchgeführt werden, bleiben die Schwellenländer in Bezug auf das BIP pro Kopf vielleicht noch lange hinter den Industrieländern zurück“, so West. „Dies ist erheblich, weil das BIP pro Kopf der Menge an Waren und Dienstleistungen entspricht, die ein Land pro Person erzeugt. Daran zeigen sich Verbesserungen der Produktivität, die sich in einem Wachstum des Konsums niederschlagen. Länder mit einem höheren BIP pro Kopf haben einen höheren Konsum und einen höheren Lebensstandard.“

Um dieses nächste Niveau zu erreichen, müssen die Schwellenländer mehrere bedeutende Hürden überwinden:

  • Eine bessere Ausnutzung globaler Wertketten, was durch eine Verbesserung von Humankapital, Technologie und Innovationskapazität erreicht werden kann.
  • Das Potenzial der Verstädterung kann zum Beispiel gesteigert werden, indem einige der damit verbundenen Umweltprobleme wie Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung angegangen werden.
  • Eine inklusive wirtschaftliche Entwicklung sollte Arbeitsrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter und Maßnahmen gegen Diskriminierung umfassen.
  • Demografische Herausforderungen erfordern Sozialprogramme, einschließlich Bildungsmaßnahmen für eine boomende Jugend in Ländern wie Indien, Indonesien und den Philippinen.
  • Wirtschaftsdelikte wie illegale Überwachung, Fälschung und Piraterie schädigen die langfristigen Aussichten der Schwellenländer und erfordern Governance-Lösungen auf der Unternehmens-, Sektor-, nationalen und internationalen Ebene.
  • Zunehmende geopolitische Risiken untergraben globale Lösungen, die Auswirkungen auf die Schwellenländer haben, unter anderem auch im Bereich des Klimawandels.

Politische Stabilität in den Schwellenländern ist ebenfalls wichtig für das langfristige Wachstum, und es sind demokratischere politische Strukturen erforderlich. „Im Zuge ihrer weiteren Entwicklung müssen Volkswirtschaften innovativer werden und nicht nur andere nachahmen“, erklärt West. „Dazu benötigen die Leute die Freiheit, anders zu sein, Fehler zu machen und neue Ideen zu entwickeln. In den autoritären politischen Systemen vieler Schwellenländer ist dies nicht so einfach möglich.“

Evolution statt Revolution

Ein aktives Management kann Anlegern helfen, von Verbesserungen der ESG-Praktiken zu profitieren. Mehrere Trends helfen ihnen dabei, dies in den Schwellenländern zu tun.

Eine verstärkte Überwachung im Anschluss an größere Skandale hat Governance-Reformen ausgelöst

Zunächst einmal löste eine verstärkte Überwachung im Anschluss an größere Skandale, wie diejenigen um die brasilianische Petrobras, 1 Malaysia Development Berhad (1MDB) und die südkoreanische Samsung Group weitere Governance-Reformen aus, die für ESG-Verbesserungen sprechen.

In Malaysia kehrte Mahathir Mohamad zum Beispiel mit einer ambitionierten Unternehmensreformagenda, die darauf abzielt, eine Wiederholung des 1MDB-Skandals zu verhindern, an die Macht zurück. Seine Regierung hat neben anderen politischen Änderungen Transparenzregeln für öffentliche Beschaffungsverfahren, Bestimmungen zur Bekämpfung der Bestechung im öffentlichen Dienst sowie striktere Anforderungen, um Institutionen unabhängiger und verantwortlicher zu machen, eingeführt.

„Reformen alleine genügen jedoch nicht. Sie müssen sich auf die Rollen des Staats, der lokalen Industrie und einzelner Unternehmen beziehen“, erklärt Stanley Kwong, ESG Analyst bei Aviva Investors. Zweitens ist der zunehmende Einfluss internationaler Aktionäre ein bedeutender Antriebsfaktor für ESG-Entwicklungen bei Unternehmen in Schwellenländern. Diejenigen, die internationalen Kapitalmärkte erschliessen möchten, werden zunehmend auf ihre ESG-Standards hin überprüft, wobei viele globale Anleger einen besonderen Schwerpunkt auf Aktivismus und Abstimmungen legen.

Mit den Worten von Kwong: „Viele Unternehmen in Malaysia verstehen allmählich, wie ESG-Kriterien mit ihrem Geschäftswert zusammenhängen. Und hier kann ein aktiver Austausch wirklich helfen. Sie sehen auf dem internationalen Parkett, dass ihnen die ESG-Faktoren einen Wettbewerbsvorteil verleihen können.“

Ein weiterer bedeutender Faktor ist die genaue Überprüfung der Lieferketten der Unternehmen durch globale Verbraucher und die Medien. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Umwelt- und Arbeitsstandards gleichmäßig hoch sind, um von der globalen Lieferkette profitieren zu können. Dies gilt insbesondere in Sektoren wie Elektronik und Textilien, jedoch auch im Agrarbereich. 

Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Umwelt- und Arbeitsstandards hoch sind, um von der globalen Lieferkette profitieren zu können

Brasilien ist zum Beispiel der größte Exporteur von Rohstoffen weltweit, darunter Zucker, Rindfleisch, Mais und Sojabohnen. Ein Großteil dieser Exporte geht nach Europa und in die USA, wo zunehmend über die gesamte Lieferkette hinweg striktere Standards angewendet werden, erklärt Sora Utzinger, ESG Analyst bei Aviva Investors. Im Jahr 2017 verabschiedete die französische Nationalversammlung ein Gesetz, das Unternehmen eine Sorgfaltspflicht auferlegt. Es verpflichtet multinationale Unternehmen zur Durchführung obligatorischer Risikoprüfungen in ihrer gesamten Lieferkette, um Aktivitäten zu identifizieren und zu verhindern, die negative Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt haben.7

In Brasilien könnten die aufsichtsrechtlichen Änderungen durch die Regierung des neu gewählten Präsidenten Jair Bolsonaro zur Lockerung der Beschränkungen in Bezug auf das Abholzen des Regenwalds für die Landwirtschaft weltweite Auswirkungen haben. Das Amazonasgebiet erzeugtetwa 20 Prozent des gesamten Sauerstoffs der Erde und absorbiert bis zu einem Zehntel der globalen fossilen Brennstoffemissionen. Wenn 20 bis 25 Prozent des Amazonasgebietes zerstört werden, könnte ein Wendepunkt erreicht werden, nach dem die Schäden im östlichen, südlichen und zentralen Amazonasgebiet irreversibel sein könnten.8 Ungefähr 16 oder 17 Prozent des Amazonas-Regenwaldes wurden bereits zerstört,9 und es liegen Anzeichen dafür vor, dass die Geschwindigkeit der Abholzung wieder zunimmt, wie aus Abbildung 4 hervorgeht. „Die Prioritäten ändern sich“, erklärt Utzinger.

Ein Beispiel betrifft die brasilianische Behörde, die mit der Abgrenzung von Land für die indigene Bevölkerung beauftragt ist. Diese Verantwortung war früher im Justizministerium angesiedelt, ist nun jedoch auf das Landwirtschaftsministerium unter Bolsonaro übertragen worden. „Dies schwächt das Mandat des Justizministeriums und ist ein Governance-Problem, da die Rechte der indigenen Bevölkerungen einem wirtschaftlichen Gebot unterworfen werden“, so Utzinger weiter. „Wenn indigene Bevölkerungen umgesiedelt werden, um Land für die Forstwirtschaft, Rinder oder Getreide freizumachen, dann ist das ein Menschenrechtsproblem. Und es ist ein Umweltproblem. Die Umwelt-, Sozial- und Governance-Komponenten sind alle miteinander verbunden.“

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Unternehmen und Anleger brauchen dem Beispiel von Bolsonaro nicht zu folgen. Unternehmen mit höheren ESG-Standards sind vielleicht in einer besseren Ausgangsposition für eine globale Expansion, erklärt Jonathan Toub, Emerging Market Equities Portfolio Manager bei Aviva Investors. Diese Unternehmen sind langfristig tendenziell auch finanziell nachhaltiger.

„Präsidenten kommen und gehen in Brasilien“, erklärt Toub. „Wir sollten unabhängig vom politischen Klima Unternehmen finden können, die nicht nur gute Umweltstandards befolgen sondern auch gute Sozial- und Corporate Governance-Standards. Bessere Unternehmen zielen darauf ab, über das Minimum hinauszugehen.“

Mit offenen Augen

Der aufsichtsrechtliche und der Anlegerdruck hat ebenfalls dazu beigetragen, das Niveau der ESG-Angaben der Unternehmen in den Schwellenländern anzuheben. Der Sustainable Stock Exchanges Initiative, einem Kooperationsprogramm der Vereinten Nationen mit Börsen und Marktaufsichtsbehörden zur Förderung verantwortlicher Investments, zufolge sind 22 der 38 Börsen, die über ESG-Berichtsrichtlinien für börsennotierte Unternehmen verfügen, in Schwellenländern ansässig. Darüber hinaus sind sechs der 14 Länder, die seit 2014 Stewardship Codes entwickelt haben, asiatische Schwellenländer.

Im Zuge des Wachstums der Börsen in den Schwellenländern und ihrer zunehmenden globalen Bedeutung können die ESG-Daten der an diesen Börsen notierten Unternehmen den Anlegern dabei helfen, die Nachhaltigkeit ihrer Anlagen genauer zu prüfen. Der chinesische Konzern Alibaba, der größte Konkurrent des Onlinehändlers Amazon, erwägt angeblich einen Börsengang mit einem Volumen von 20 Mrd. USD in Hongkong statt an der New York Stock Exchange, wo sein ursprünglicher Börsengang im Jahr 2014 erfolgte.10

Trotz dieser Verbesserungen sind die Daten in den Schwellenländern weiterhin uneinheitlich. Dies bedeutet, dass ein aktiver Austausch den Anlegern dabei helfen kann, von einer ESG-Dynamik auf der Unternehmensebene zu profitieren. „Das ESG-Risiko wird für Unternehmen aus Schwellenländern fast automatisch einkalkuliert“, so Way. „Wenn wir diese Risiken reduzieren können, sollten die Bewertungen höher sein.“

„Greenwashing“ ist ein allgemein gebräuchlicher Begriff, der sich auf die Praxis bezieht, unbelegte ESG-Behauptungen aufzustellen, und dies ist ein anhaltendes Problem. Ein aktiver Austausch kann den Anlegern dabei helfen, die Worte der Unternehmen ihren Taten gegenüberzustellen. 

Greenwashing ist ein anhaltendes Problem. Ein aktiver Austausch kann den Anlegern dabei helfen, die Worte der Unternehmen ihren Taten gegenüberzustellen.

„Wir haben nett aufgemachte Nachhaltigkeitsberichte gesehen, die keine der wichtigen handfesten Angaben wie Kennzahlen und messbare Ziele enthalten“, erklärt Kwong. „In manchen Fällen ist niemand für die Angaben im Nachhaltigkeitsbericht verantwortlich.

Wenn Unternehmen jedoch beweisen, dass sie ESG wirklich ernst nehmen, dann ist dies aus Anlegersicht eine Gelegenheit. In diesem frühen Stadium kann man die ESG-Kultur eines Unternehmens wirklich gestalten und beeinflussen“, erklärt Kwong weiter.

Das malaysische Unternehmen Hartalega Holdings, ein Hersteller von Nitrilhandschuhen für den medizinischen Bereich, hat die Konkurrenz sowohl in Bezug auf seine ESG-Praktiken als auch im Hinblick auf seine Rentabilität übertroffen, erklärt Will Ballard, Head of Emerging Market Small-Cap Equities bei Aviva Investors. Als einer der größten Hersteller von hochwertigen Einweg-Nitrilhandschuhen weltweit stammen seine Umsatzerlöse überwiegend aus den USA und aus Europa, wo striktere Umweltvorschriften gelten.

Hartalega hat im Laufe der Jahre konsequent in erstklassige Einrichtungen investiert, welche die Umweltstandards erfüllen oder übertreffen und den Verbrauch natürlicher Ressourcen reduzieren. Die Leistungen des Unternehmens in Bezug auf die Gesundheit, Arbeitssicherheit und Umwelt übertreffen regelmäßig die der Konkurrenz, und es werden vier Prozent des Jahresergebnisses für Investitionen in Geräte und Technologien zum Schutz der Umwelt bereitgestellt. Die Gasemissionen seiner Verdampfertürme sind zum Beispiel um bis zu 20 Mal niedriger als die vorgeschriebenen Standards.

„Bei der Analyse eines solchen Unternehmens erwägen wir, wie sich die Branche, in der es tätig ist, ändert, und welche Faktoren diesen Wandel bestimmen“, erklärt Ballard. „Das Ergebnis ist ein möglicher Wettbewerbsvorteil, wenn sich Standards und Regulierungen ändern. Wenn wir diese Art der Dynamik verstehen, können wir unserer Ansicht nach die Renditeaussichten unserer Kunden verbessern.“ 

Quellen

  1. Lourdes Casanova and Anne Miroux, ‘Emerging market multinationals report (EMR) 2018’, Cornell SC Johnson College of Business, 2018.
  2. ‘GDP based on PPP, share of world’, International Monetary Fund, April 2019.
  3. ‘These could be the world’s biggest economies by 2030,’ Bloomberg, 8. Januar 2019.
  4. ‘2018 World Air Quality Report’, IQAir AirVisual, 2018.
  5. ‘The value of ESG data: early evidence for emerging markets equities’, Cambridge Associates, Oktober 2016.
  6. Ibid.
  7. ‘The French Law on Duty of Care: A Historic Step Towards Making Globalization Work for All,’ Business and Human Rights Journal, Cambridge University, Juli 2017.
  8. Thomas E. Lovejoy and Carlos Nobre, ‘Amazon Tipping Point,’ Science Advances published by the American Association for the Advancement of Science, 21. Februar 2018.
  9. ‘Amazon deforestation is close to tipping point,’ Phys.org published by Science X Network, 20. März 2018.
  10. ‘Alibaba Weighs Raising $20 Billion Through A Second Listing,’ Bloomberg, 27. Mai 2019.

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