Stellen Sie sich vor, welche Energie die Zündung von 15.000 Tonnen TNT erzeugen würde. Das ist das Ausmaß der Explosion, die der Atombombenabwurf 1945 auf Hiroshima auslöste. Das Vierhunderttausendfache dieser Explosion entspricht dem täglichen globalen Energieungleichgewicht, das für die weltweite Erwärmung sorgt und die Umwelt zu zerstören droht.1
Die Beweise dafür, dass sich das Klima verändert, sind erdrückend. Und die Beweise dafür, dass der Mensch eine wichtige, wenn nicht sogar die Hauptursache ist, sind ebenfalls erdrückend.
„Die Beweise dafür, dass sich das Klima verändert, sind erdrückend“, so Professor Richard Tol von der Universität von Sussex. Er ist ein ehemaliges Mitglied des Weltklimarats (IPCC) und in dieser Eigenschaft gemeinschaftlicher Träger des Friedensnobelpreises, mit dem der IPCC für seine Beiträge zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die globale Erwärmung ausgezeichnet wurde. „Und die Beweise dafür, dass der Mensch eine wichtige, wenn nicht sogar die Hauptursache ist, sind ebenfalls erdrückend.“
Das Tempo des Wandels ist erschreckend. Über Jahrtausende hat die Erde Phasen der Erwärmung und Abkühlung erfahren. Doch die Temperatur der Atmosphäre steigt etwa zehnmal schneller als je zuvor, zu schnell, als dass sich Pflanzen und Tiere anpassen könnten.2 Und die ausgelösten Prozesse lassen sich nicht so bald aufhalten, da ein Großteil der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt ist.
Der größte Teil der Wärme, die wir in die Atmosphäre eingebracht haben, landet tatsächlich im Meer
„Der größte Teil der Wärme, die wir in die Atmosphäre eingebracht haben, landet tatsächlich im Meer“, erklärt Tol. „Im Wesentlichen ist das, was wir tun, ein sehr, sehr langsames Aufheizen der Ozeane. Wir haben etwas in Bewegung gesetzt, das mindestens ein Jahrtausend andauern wird.“
Im Angesicht einer wärmeren, unbeständigeren Welt
Mit mehr Energie in der Atmosphäre verändern sich die Zirkulationsmuster. Das führt an manchen Orten zu heißerem und trockenerem Wetter und in anderen Regionen zu häufigeren extremen Regenfällen und Überschwemmungen. Extreme Temperaturereignisse sind seit 1950 etwa 20 Mal wahrscheinlicher geworden3, und im letzten Jahrzehnt gab es eine Reihe neuer Rekorde4.
Abbildung 1: Aufheizen: Gehalt an atmosphärischem Kohlendioxid

Das könnte mehrere große Auswirkungen zur Folge haben. Als Erstes können große Teile der Erde so unwirtlich werden, so dass es zu Beeinträchtigungen der menschlichen Ökosysteme kommt. Rick Stathers, Senior Global Reponsible Investment Analyst bei Aviva Investors und ein Spezialist für den Klimawandel, sieht bereits Anzeichen dafür.
„Denken Sie an die Gruppen von Migranten, die in jüngster Zeit Syrien in Richtung Europa verlassen haben oder an den Migrationstreck aus Mittelamerika, der in die Vereinigten Staaten zieht und über den sich Präsident Trump so lautstark geäußert hat. Die Dürre ist sicherlich nicht der einzige Faktor, aber sie hat eine Rolle gespielt“, sagt er.
Die tief gelegenen Gebiete in China, Indien, Japan, Indonesien, Bangladesch und den Vereinigten Staaten sind allesamt Hochrisikozonen
Des Weiteren können Überschwemmungsgebiete und Küstengebiete bedroht sein, wenn extreme Wetterereignisse häufiger auftreten und der Meeresspiegel weiter ansteigt. Zu den gefährdeten Regionen zählen auch Gebiete, in denen einige der größten Städte der Welt liegen – riesige Ballungsräume, die jeweils von mehr als zehn Millionen Menschen bewohnt werden. Die tief gelegenen Gebiete in China, Indien, Japan, Indonesien, Bangladesch und den Vereinigten Staaten sind allesamt Hochrisikozonen mit einer Bevölkerungskonzentration nahe des heutigen Meeresspiegels 5.
Tatsächlich müssen wohl viele Bereiche der Wirtschaftstätigkeit völlig neu überdacht werden. Der IPCC hat „schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft“ gefordert 6.
Dies ist eine Krise…
Dass die ärmsten Teile der Weltbevölkerung in Zeiten ökologischer Umwälzungen diesen in besonderem Maß ausgesetzt sind, ist ein beunruhigender Gedanke. Das britische Institute of Public Policy Research (IPPR) hat erklärt: „Dies ist eine Krise“. Etwas, das in der breiten politischen Debatte völlig außer Acht gelassen wurde.7 Die vom IPPR verwendete Sprache markiert einen deutlichen Wandel in der Klimadebatte, in der Diskussionen bislang sorgfältig formuliert wurden und mit Vorbehalten versehen waren.
Für manche ist die einzige Lösung eine weniger wachstumsorientierte Welt, in der Ansprüche maßvoll sind und übermäßiger Konsum missbilligt wird. Liegt die Lösung in einem „Bottom-up“-Ansatz, bei dem Milliarden von Menschen kleine Veränderungen vornehmen, regional produzierte Lebensmittel kaufen, um unnötigen Energieverbrauch zu reduzieren, Gebäude isolieren, um Wärmeverluste zu verhindern und Recycling betreiben?
Die alternative Antwort wäre eine starke „Top-down“-Reaktion in Form von staatlich auferlegten Preis- oder Mengenkontrollen wie CO2-Quoten oder -Steuern, um die externen Effekte zu internalisieren.
Die Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) führte bei Unternehmen, die von dieser Politik betroffen sind, zu einem 30-prozentigen Anstieg der Anmeldungen von 'sauberen' Patenten
„Die Einführung des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) führte bei Unternehmen, die von dieser Politik betroffen sind, zu einem 30-prozentigen Anstieg der Anmeldungen von 'sauberen' Patenten“, betont Antoine Dechezleprêtre, Assistant Associate Professor am Londoner Grantham Institute of Climate Change and the Environment. „Die EU-weite Regulierung wirkt sich nur auf ausgewählte Industriesektoren aus. Ihre Zukunft ist unstrittig. Das einzig Ungewisse ist der CO2-Preis. Zu Beginn lag er bei etwa 30 € pro Tonne. Das hat viele Innovationen vorangetrieben. Dann fiel er auf 5 € bis 10 € pro Tonne und die Anträge gingen zurück, weil die Unternehmen sich auf diesem Niveau keinen großen Vorteil mehr davon versprechen. Aber es zeigt, dass wirtschaftliche Anreize funktionieren.“
Dort, wo CO2-Steuern eingeführt wurden, lagen die meisten Regierungen weit unter den im Pariser Abkommen festgelegten strengen Eindämmungsszenarien, die darauf abzielen, die Temperaturen auf unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Auch bei eher unklaren Aussichten bleibt bei einigen die Hoffnung, dass neue Technologien entstehen werden, welche die Auswirkungen der Freisetzung von Treibhausgasen umkehren oder ihnen entgegenwirken. Zur Diskussion stehen Maßnahmen aus dem Bereich des Geo-Engineerings – bewusste, groß angelegte Eingriffe in natürliche Systeme, um dem Klimawandel zu begegnen. Sie reichen vom Einsatz von Weltraumreflektoren zur Blockierung der einfallenden Sonnenenergie8 bis hin zur Verdichtung und Injektion von CO2 in tiefe Erdschichten.
Wie geht es weiter?
Inzwischen setzen sich Wissenschaftler mit den Prozessen auseinander, die das Klima antreiben, um die Erkenntnisse darüber zu verbessern, was als Nächstes passieren könnte. In den letzten vier Jahrzehnten haben sich die betrachteten Modelle und Variablen enorm weiterentwickelt, wie in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Vernetztes Denken: Klimamodellierung

„Das Klima ist sehr komplex“, sagt Professor Chris Budd, ein Mathematiker an der Universität von Bath, der mit seinem Interesse an der Verwendung partieller Differentialgleichungen zur Problemlösung tief in die Arbeit des Met Office eingestiegen ist.9 „Es ist schwierig, gute Daten zu erhalten, insbesondere über die Ausgangszustände. Die Gleichungen für das Klima sind schwer zu lösen und können mehrere Lösungen haben. Ständig präsente chaotische Vorgänge erschweren es, natürliche Auswirkungen von menschlichen Eingriffen zu unterscheiden. Fortschritte werden dabei durch den Einsatz von Supercomputern erzielt, die rund 14.000 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde ausführen.

Das enorme Nichtwissen verbunden mit der Tatsache, dass das Klima ohnehin variieren kann, und mit den Unterschieden in der Funktionsweise der einzelnen Klimamodelle, erklärt, warum die Bandbreite der möglichen Ergebnisse groß ist (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Was wissen wir? Unsicherheit bei den Projektionen der Durchschnittstemperatur

Schwarzer Peter: Höhere Gewalt oder menschliches Handeln?
Ist es nach unserem heutigen Kenntnisstand möglich, Schuldzuweisungen zu treffen und Aussagen darüber zu machen, ob menschliches Handeln zu mehr extremen Wetterlagen und damit verbundenen Schadensereignissen beiträgt? Die Antwort der Klimamodellierer, die sowohl länder- als auch unternehmensbezogene Zuschreibungen untersucht haben, ist ein qualifiziertes Ja.
„Als wir die Studie durchführten, mit verschiedenen Ländern im Blick, gab es die Möglichkeit, alle Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution zu verwerten“, erklärt Dr. Friederike Otto vom Environmental Change Institute der Universität Oxford. „Man könnte aber auch sagen: Es ist nicht davon auszugehen, dass die Menschen damals über den Klimawandel Bescheid wussten. Sind sie also wirklich dafür verantwortlich? Oder wir rechnen nur mit den Emissionen seit 1990, als der erste IPCC-Bericht veröffentlicht wurde. Das ist auch eine Möglichkeit, aber natürlich führt diese zu anderen Ergebnissen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen. Wissenschaftlich gesehen kann man beides tun und beides ist sinnvoll. Aber es ist die Frage, was man davon wie verwenden möchte, vor Gericht oder für irgendeinen anderen Zweck.“
Anpassung an den Wandel
Diese Veränderungen bringen es mit sich, dass die Finanzinstitutionen im Bereich Value-at-Risk Feinarbeit leisten müssen, um zu verstehen, was die sich verändernden Umweltbedingungen bedeuten. Welche Auswirkungen kann es auf Vermögenswerte geben und wie könnten die Maßnahmen der Institutionen andere beeinflussen?
„Einige Investoren vergleichen den Öl- und Gassektor bereits mit der Situation des Tabaksektors“, sagt Frédérique Nakache, European Equity Portfolio Manager bei Aviva Investors. Sie ist jedoch der Ansicht, dass der Ausschluss dieser Unternehmen aus den Anlageportfolios – wie mancherorts bereits geschehen – eine zu starke Vereinfachung darstellt. „Meiner Ansicht nach wird der Sektor eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen, denn er verfügt über Wissen und Ressourcen in Schlüsselbereichen, wie der Übergang von Kohle- zu Gaskraftwerken, von konventioneller Energie zu erneuerbaren Energien und von herkömmlichen zu Biokunststoffen.“
„Der Ausschluss fossiler Energieträger wird nicht so viel bewirken, wie Sie vielleicht erwarten“, sagt Jaime Ramos Martin, Global Equities Portfolio Manager bei Aviva Investors. „Die Kohlenstoffintensität ist in anderen Teilen der Wirtschaft ebenfalls recht hoch.“ Stattdessen plädiert er für einen Ansatz, der „viel, viel mehr“ tut, als auszugrenzen, ein Ansatz, der sich auf Unternehmen konzentriert, die Lösungen zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen anbieten oder anderen Teilen der Wirtschaft bei der Anpassung helfen.
Hoffnung schöpfen
Der Klimawandel fühlt sich an wie der sprichwörtliche Elefant im Raum: ein Problem, das jeder kennt, das aber noch niemand in Angriff genommen hat. Abgesehen von den Leugnern des Klimawandels stellen die „Tragödie des Allgemeinguts“ und die Zuschauerproblematik Hindernisse dar: Warum selbst handeln, wenn das doch hoffentlich andere für mich tun? Die Beweise dafür, wie schmerzhaft oder sogar unmöglich ein „Business as usual“ sein könnte, häufen sich und können nicht mehr ignoriert werden.
Komplexe Modelle kommen zur Untersuchung von Fragen des menschlichen Handelns und der Verursachung zum Einsatz und mit detaillierten Karten werden Risiken in verschiedenen Szenarien verfolgt
Jetzt, wo komplexe Modelle zur Untersuchung von Fragen des menschlichen Handelns und der Verursachung zum Einsatz kommen und mit detaillierten Karten Risiken in verschiedenen Szenarien verfolgt werden, wächst das Gespür für die Dringlichkeit. Die Möglichkeiten, das Innenleben der Wirtschaft neu zu gestalten, eine Welt zu schaffen, in der Wachstum mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck erreicht wird, sind ebenfalls enorm.
AIQ hat sich bereits früher mit der Notwendigkeit befasst, die Rolle öffentlicher und privater Institutionen bei der Bewältigung großer sozialer und ökologischer Herausforderungen intelligenter zu überdenken. Und obwohl uns bewusst ist, dass Märkte scheitern können (der Klimawandel ist vielleicht das schlimmste Beispiel dafür), sind die kreativen Kräfte der Märkte, wenn sie in die richtige Richtung gelenkt werden, geradezu atemberaubend. Verbindet man dies mit einem tieferen Verständnis der Psychologie hinter dem menschlichen Verhalten, mit einer transparenteren Datenerfassung und einer effektiven Erkenntnisgewinnung, gibt es immer noch Anlass zur Hoffnung.
„Täuschen Sie sich nicht, dies ist zweifellos das größte Problem, mit dem wir in diesem Jahrhundert fertig werden müssen“, sagt Steve Waygood, Chief Responsible Investment Officer bei Aviva Investors. „Unsere gesamte Gesellschaft ist in Gefahr. Nur wenn wir die Kräfte des Kapitalismus nutzen, haben wir eine Chance, den Kampf zu gewinnen.“