Kurz vor Beginn der Pandemie setzten sich einige der größten Unternehmen der Welt zum Ziel, nicht nur die kurzfristige Wertschöpfung und Gewinngenerierung ins Auge zu fassen, sondern auch die Interessen aller von der Wirtschaftsaktivität Betroffenen, auch Stakeholder genannt, zu berücksichtigen und zu schützen. Die Krise hat diese Aussagen auf die Probe gestellt, sagt Mirza Baig.

Im August 2019 unterzeichneten 181 amerikanische Unternehmensleiter die aktualisierte Erklärung zum Sinn und Zweck eines Unternehmens („Statement on the Purpose of a Corporation") des Business Roundtable, in der betont wird, dass Unternehmen die Interessen aller von den jeweiligen Unternehmensaktivitäten Betroffenen bzw. Stakeholder – Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und lokale Gemeinschaften – berücksichtigen und schützen müssen, um langfristigen Unternehmenswert zu schaffen.

Doch als sich COVID-19 auf der ganzen Welt verbreitete und Volkswirtschaften durch Lockdowns zum Stillstand gebracht wurden, um das Virus einzudämmen, wurden neben der finanziellen Widerstandsfähigkeit der Unternehmen auch diese Aussagen tatsächlich auf die Probe gestellt.

Im September 2020 erfolgte die Veröffentlichung des ersten Berichts von „Test of Corporate Purpose“ (TCP) – einer Initiative zur Messung der Fortschritte von Unternehmen in Bezug auf die Wahrung der Stakeholder-Interessen aller Betroffenen während der Pandemie. Mithilfe verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden entdeckte die Studie des TCP Hinweise auf „Sinnverfälschung“. Trotz ihrer löblichen Rhetorik war es den Unterzeichnern der Erklärung des Business Roundtable nicht gelungen, europäische und S&P-500-Unternehmen in Bezug auf Stakeholder-Metriken zu übertreffen.

Nehmen wir beispielsweise Amazon, dessen CEO Jeff Bezos die Erklärung des Business Roundtable unterzeichnet hat. Die Umsätze des E-Commerce-Giganten stiegen enorm, als die Nachfrage nach Online-Services während der Lockdowns in die Höhe schnellte. Doch das Unternehmen wurde scharf kritisiert für die Behandlung seiner Mitarbeiter, von denen viele die unzureichenden Arbeitsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen in den Warenlagern bemängelt hatten.

In ähnlicher Weise haben einige Restaurantketten ihre Mitarbeiter angewiesen, ohne bezahlte Freistellung weiterzuarbeiten. Fluggesellschaften haben Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt oder entlassen, Lieferantenverträge zu günstigeren Konditionen neu verhandelt, staatliche Beihilfen in Anspruch genommen – und waren dabei trotzdem immer noch bestrebt, ihren Führungskräften exorbitant hohe Zusatzprämien auszuzahlen.

Andere Unternehmen haben sich besser angestellt. Telekommunikationsunternehmen erhöhten die Bezahlung von Mitarbeitern im Außendienst-Einsatz mit direktem Personenkontakt, um zu würdigen, dass diese Mitarbeiter unverzichtbare Kommunikationsmittel während der Pandemie funktionsfähig hielten. Lebensmittelhändler beschleunigten Zahlungsvorgänge, um Landwirte und andere Kleinlieferanten zu unterstützen. Konsumgüterfirmen beteiligten sich an den Spenden für die internationalen Hilfsmaßnahmen.

Das sind nicht nur lobenswerte Gesten. Unternehmen, die alle beteiligten und betroffenen Stakeholder berücksichtigen und deren Gesundheit schützen, sind finanziell deutlich widerstandsfähiger. Separate Studien von S&P Global Market Intelligence und Morningstar zeigen, dass sich Unternehmen mit einer starken Erfolgsbilanz in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien – generell ein guter Stellvertreter für „Sinn und Zweck eines Unternehmens“ – in der Anfangsphase des COVID-19-Abverkaufs gegenüber ihren Marktkonkurrenten besser entwickelten.

Dennoch bleiben viele Anleger misstrauisch gegenüber einem Multi-Stakeholder-Unternehmensführungsmodell, das die Interessen aller Betroffenen berücksichtigt, und berufen sich dabei auf Milton Friedmans Grundsatz, dass der einzige Sinn und Zweck eines Unternehmens darin bestehen sollte, Gewinne für die Aktionäre zu erzielen. Diese Ansicht berücksichtigt jedoch nicht die Art und Weise, wie sich die Welt im Verlauf des halben Jahrhunderts, vor dem Friedman seine Marktideen formulierte, verändert hat. Die sich verschärfende Klimakrise zeigt deutlich, welche Schäden Unternehmen anrichten können, wenn sie sich ausschließlich um ihre Gewinn-und-Verlustrechnung kümmern, ohne externe Effekte wie Auswirkungen auf die Umwelt miteinzubeziehen. Friedmans Grundsatz beruht auch auf einer überholten Vorstellung der Trickle-down-Wirtschaftstheorie, die von jahrzehntelanger flacher Lohninflation, wachsender Ungleichheit, stagnierender Produktivität und – in jüngerer Zeit – populistischer Politik untergraben wurde.

Anleger weisen zu Recht darauf hin, dass Aussagen zum Sinn und Zweck eines Unternehmens vage und schwammig sein können. Glücklicherweise sind durch die Pandemie nun einige Fortschritte gemacht worden bei der Entwicklung von Metriken, die sowohl von Unternehmensbeteiligten als auch anderen Stakeholdern dazu genutzt werden können, die Bilanzen von Unternehmen zu bewerten und sie zur Verantwortung zu ziehen. Zusätzlich zur Arbeit von TCP bietet JUST Capital eine nützliche Bewertungsliste für Unternehmen basierend auf den positiven Effekten für alle Stakeholder. Das Weltwirtschaftsforum veröffentlichte vor kurzem die „Stakeholder Capitalism Metrics“ – ein Satz von 22 Indikatoren in vier Hauptsäulen – Unternehmensführung, Planet, Menschen und Wirtschaftserfolg –, mit dessen Hilfe sich Unternehmen anhand nicht-profitorientierter Kriterien bewerten lassen.

Da Stakeholder-Metriken, die alle Betroffenen berücksichtigen, nun immer häufiger eingesetzt werden, besteht das Risiko, dass einige Unternehmen es sich einfach machen und lediglich Checklisten abhaken, um hohe Performance-Bewertungen zu erhalten. Anleger, politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft im Allgemeinen müssen weiter wachsam bleiben. Werden die Ergebnisse für alle Stakeholder als abgeleitete Indikatoren des traditionellen Geschäftsbetriebs erfasst oder sind sie wirklich Teil der langfristigen Unternehmenspläne?

Das ist der springende Punkt. Wenn wir weitere Sinnverfälschungen verhindern und die Rechte aller Stakeholder wirklich in ein nachhaltigeres und gerechteres Wirtschaftsmodell integrieren wollen, dann müssen wir die vorherrschende kurzfristige Denkweise von Unternehmen und Märkten infrage stellen. Diese kurzfristige Denkweise, und nicht das Streben nach Profit, verhindert in Wahrheit nachhaltige wirtschaftliche Ergebnisse.

Die einzelnen Stakeholder werden nur allzu oft dargestellt als Akteure, deren Interessen in Konflikt miteinander stehen. Eine aufgeklärtere Betrachtungsweise wäre, anzuerkennen, dass ein Unternehmen, das sich langfristig für die Bedürfnisse von Menschen und Umwelt einsetzt, wahrscheinlich auch mehr wirtschaftlichen Erfolg hat und einen Mehrwert schaffen wird für alle – von Führungskräften und Mitarbeitern bis hin zu Anlegern und der Gesellschaft im Allgemeinen.

Dies ist der Mentalitätswandel, der stattfinden muss, wenn „Sinn und Zweck eines Unternehmens“ mehr als eine leere Phrase sein soll. Solange wir Wirtschaft als Nullsummenspiel ansehen, wird der Weg zum Stakeholder-Kapitalismus weiterhin von gebrochenen Versprechen geprägt sein.

Ähnliche Ansichten

Wichtige Informationen

DIES IST EINE MARKETINGMITTEILUNG

Soweit nicht anders angegeben, stammen alle Informationen von Aviva Investors Global Services Limited (AIGSL). Sofern nicht anders angegeben, sind alle Ansichten und Meinungen jene von Aviva Investors. Die Aussagen garantieren keine Gewinne aus Geldanlagen, die von Aviva Investors verwaltet werden, und sind nicht als Anlageempfehlungen zu verstehen. Die aufgeführten Informationen wurden aus für zuverlässig befundenen Quellen bezogen, jedoch nicht auf unabhängige Weise von Aviva Investors geprüft und ihre Richtigkeit kann nicht garantiert werden. Die frühere Wertentwicklung ist kein Anhaltspunkt für die zukünftige Performance. Der Wert und die Erträge von Anlagen können sowohl steigen als auch fallen und unter Umständen erhält ein Anleger den ursprünglich investierten Betrag nicht in vollem Umfang zurück. Alle Angaben in diesem Material, einschließlich Verweise auf bestimmte Wertpapiere, Anlageklassen und Finanzmärkte, sind als Rat oder Empfehlung jedweder Art gedacht und sollten nicht als solche ausgelegt werden. Bei den angegebenen Daten kann es sich um Hypothesen oder Prognosen handeln, die bei veränderten Marktbedingungen möglicherweise nicht eintreten werden und die keine Garantie für zukünftige Ergebnisse darstellen. Dieses Material stellt keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf einer Anlage dar.

Die hier enthaltenen Informationen dienen lediglich der allgemeinen Orientierung. Alle Personen im Besitz dieser Informationen sind selbst dafür verantwortlich, sich über die geltenden Gesetze und Bestimmungen in den einschlägigen Rechtsordnungen zu informieren und diese zu befolgen. Die hier enthaltenen Informationen stellen weder ein Angebot noch eine Aufforderung in Rechtsordnungen oder an Personen dar, in denen oder an die ein solches Angebot oder eine solche Aufforderung rechtswidrig wäre.

In Europa wird dieses Dokument von Aviva Investors Luxembourg S.A. herausgegeben. Eingetragener Geschäftssitz: 2 rue du Fort Bourbon, 1st Floor, 1249 Luxemburg. Beaufsichtigt durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier. Ein Unternehmen der Aviva-Gruppe. Im Vereinigten Königreich herausgegeben von Aviva Investors Global Services Limited, eingetragen in England unter der Nr. 1151805. Eingetragener Geschäftssitz: 80 Fenchurch Street, London, EC3M 4AE, Vereinigtes Königreich. Zugelassen und beaufsichtigt durch die Financial Conduct Authority. Firmenreferenznr. 119178. In der Schweiz wird dieses Dokument von Aviva Investors Schweiz GmbH herausgegeben.

In Singapur wird dieses Material durch eine Vereinbarung mit Aviva Investors Asia Pte. Limited (AIAPL) für die Verteilung ausschließlich an institutionelle Anleger ausgegeben. Bitte beachten Sie, dass AIAPL keine unabhängige Recherche oder Analyse bezüglich Inhalt oder Erstellung dieses Materials betreibt. Empfänger dieses Materials müssen AIAPL hinsichtlich aller Angelegenheiten, die sich aufgrund von oder in Zusammenhang mit diesem Material ergeben, kontaktieren. AIAPL, eine gemäß den Gesetzen von Singapur gegründete Gesellschaft mit der Registernummer 200813519W, verfügt über eine gültige Capital Markets Services Licence für die Durchführung von Fondsverwaltungsaktivitäten gemäß dem Securities and Futures Act (Singapore Statute Cap. 289) und gilt als Asian Exempt Financial Adviser im Sinne des Financial Advisers Act (Singapore Statute Cap.110). Eingetragener Geschäftssitz: 138 Market Street, #05-01 CapitaGreen, Singapur 048946. In Australien wird dieses Material durch eine Vereinbarung mit Aviva Investors Pacific Pty Ltd (AIPPL) für die Verteilung ausschließlich an Großanleger ausgegeben. Bitte beachten Sie, dass AIPPL keine unabhängige Recherche oder Analyse bezüglich Inhalt oder Erstellung dieses Materials betreibt. Empfänger dieses Materials müssen AIPPL hinsichtlich aller Angelegenheiten, die sich aufgrund von oder in Zusammenhang mit diesem Material ergeben, kontaktieren. AIPPL, eine nach australischem Recht gegründete Gesellschaft mit der Australian Business Number 87 153 200 278 und der Australian Company Number 153 200 278, verfügt über eine Australian Financial Services License (AFSL 411458) der Australian Securities and Investments Commission. Geschäftsadresse: Level 27, 101 Collins Street, Melbourne, VIC 3000 Australia.

Der Name „Aviva Investors“ bezieht sich in diesem Material auf die globale Organisation aus verbundenen Vermögensverwaltungsgesellschaften, die unter dem Namen Aviva Investors agiert. Jede mit Aviva Investors verbundene Gesellschaft ist eine Tochtergesellschaft von Aviva plc, einem börsennotierten multinationalen Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich.

Aviva Investors Canada, Inc. („AIC“) mit Sitz in Toronto ist in der nordamerikanischen Region der globalen Organisation aus verbundenen Vermögensverwaltungsgesellschaften, die unter dem Namen Aviva Investors agiert. AIC ist bei der Ontario Securities Commission als Commodity Trading Manager, Exempt Market Dealer, Portfolio Manager und Investment Fund Manager registriert. AIC ist außerdem in allen kanadischen Provinzen als Exempt Market Dealer und Portfolio Manager sowie ggf. in bestimmten anderen anwendbaren Provinzen als Investment Fund Manager registriert.

Aviva Investors Americas LLC ist ein bei der U.S. Securities and Exchange Commission staatlich registrierter Investment Advisor. Außerdem ist Aviva Investors Americas bei der Commodity Futures Trading Commission („CFTC“) als Commodity Trading Advisor („CTA“) registriert und ein Mitglied der National Futures Association („NFA“). Part 2A des AIA ADV-Formulars, das Hintergrundinformationen zu der Gesellschaft und ihren Geschäftspraktiken liefert, ist auf schriftlichen Antrag an folgende Adresse erhältlich: Compliance Department, 225 West Wacker Drive, Suite 2250, Chicago, IL 60606.