James Tarry und Luke Layfield erläutern, welche Risiken und Chancen die Forcierung der Klimawende für Real Asset-Anleger bietet.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Auswirkungen der Energiekrise und neuer Vorschriften auf das Real Assets-Segment
- Chancen im Real Assets-Bereich zur Unterstützung der Klimawende
- Die Rolle naturbasierter Lösungen in Real Asset-Portfolios
Anleger in Real Assets können maßgeblich dazu beitragen, die Klimawende voranzutreiben.
Gebäude und Infrastruktur sind einerseits für einen wesentlichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich und andererseits klimawandelbedingten physischen Risiken ausgesetzt. Neue Klimavorschriften könnten zudem das Ende für ältere, ineffiziente Assets bedeuten. Diese Trends werden zukunftsorientierten Anlegern jedoch auch Chancen für Investments in grünere, auf die Klimawende ausgerichtete Assets sowie zur Modernisierung herkömmlicher Assets eröffnen.
In diesem Interview erläutern James Tarry (JT), Leiter der Multi-Strategie für Real Assets bei Aviva Investors, und Luke Layfield (LL), Real Assets-Portfoliomanager, wie die Klimawende die Real Assets-Landschaft verändert und welche bedeutenden Chancen sich dadurch 2023 und darüber hinaus eröffnen.
Die letzten zwölf Monate waren geprägt von globalen Schocks wie dem Ukraine-Krieg und den Hitzewellen in Europa, Afrika und Asien. Zudem gab es Fortschritte bei wichtigen Klimaschutzgesetzen. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf den Real Assets-Bereich?
JT: Der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Energiepreisschock haben dazu geführt, dass sich der Fokus von den längerfristigen Net Zero-Zielen auf das drängende Problem der Energiesicherheit im Hier und Jetzt verschoben hat. Ohne Frage haben wir es mit einer Krise zu tun, die einer raschen Lösung bedarf. In gewissem Sinne führt sie uns aber noch einmal schonungslos vor Augen, wie wichtig die Umstellung auf erneuerbare Energien ist, denn die Abkehr von fossilen Brennstoffen macht unsere Energieversorgung sicherer und macht uns unabhängiger von Öl- und Gasimporten aus Ländern wie Russland.
Gleichzeitig werden Vorschriften erlassen, um die Klimawende voranzutreiben. So gibt es zum Beispiel klare Anzeichen dafür, dass der Inflation Reduction Act in den USA bereits dazu beiträgt, die Entwicklung neuer grüner Technologien bis zur Marktreife voranzutreiben. Gleichwohl waren die extremen Wetterereignisse im Jahr 2022 eine Warnung, dass wir schneller handeln müssen.
Unser klimaorientierter Real Asset-Ansatz zielt auf Anlagechancen bei Immobilien, Infrastruktur und naturbasierten Lösungen ab, die auf längerfristige Themen wie Elektromobilität, Ladeinfrastruktur und Aufforstung ausgerichtet sind. Aus den jüngsten Marktverwerfungen ergeben sich aber auch unmittelbar Gelegenheiten zum Erwerb neu bewerteter Immobilien, die saniert, modernisiert und entkarbonisiert werden können und so einen Weg bieten, sowohl finanzielle als auch klimabezogene Ziele zu erreichen.
Müssen wir uns auf einen stärkeren Wettbewerb um grüne Assets wie Wind- und Solarkraftanlagen einstellen? Und wenn ja, wie wirkt sich dies auf unsere Strategien aus?
JT: Infrastruktur – und hier vor allem Infrastruktur im Bereich der erneuerbaren Energien – zählte zu den wenigen Marktsegmenten, die nicht direkt mit einer Bewertungskorrektur auf die Marktturbulenzen im Jahr 2022 reagierten, was zum Teil auf die enorme Nachfrage nach diesen Assets zurückzuführen ist. Pensionsfonds und andere große institutionelle Anleger wollen zunehmend in erneuerbare Energien investieren, nicht nur, weil dies bei der Erfüllung ihrer Netto-Null-Ziele hilft, sondern auch, weil der Sektor aus finanzieller Sicht attraktiv ist. Diese Assets haben sich in puncto Cashflow gut entwickelt, da viele von ihnen von inflationsgebundenen Subventionen profitieren. Auch von den Strompreisen abhängige Projekte konnten sich die starken Umsatzsteigerungen zunutze machen.
Die Infrastruktur für erneuerbare Energien ist ein wichtiger Teil unseres auf die Klimawende ausgerichteten Ansatzes
Die Infrastruktur für erneuerbare Energien ist ein wichtiger Teil unseres auf die Klimawende ausgerichteten Ansatzes, trägt diese doch dazu bei, Emissionen zu vermeiden und unsere Umweltziele zu erreichen. Wir investieren nicht nur in betriebsbereite oder baureife Assets im Bereich der erneuerbaren Energien, sondern streben auch Partnerschaften mit Projektentwicklern an, um Zugang zu einer Pipeline von Projekten in verschiedenen Stadien zu erhalten, von der Vorplanung bis hin zur Baureife. Indem wir frühzeitig investieren und uns Optionen in Bezug auf die Pipeline offenhalten, können wir der Konkurrenz einen Schritt voraus sein und bessere Renditen erzielen.
Neben Investments in herkömmliche Wind- und Solarenergieanlagen investieren wir auch in digitale Infrastrukturen, die einen Beitrag zur Klimawende leisten können, z. B. Ladestationen für Elektrofahrzeuge und das Glasfasernetz. Glasfaserleitungen sind dreimal energieeffizienter als Kupferleitungen, und ihre schnelle Datenübertragung ermöglicht mehr Menschen die Telearbeit, sodass sich wiederum die verkehrsbedingten Emissionen verringern.
Hitzewellen im Sommer lenkten die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit baulicher Anpassungen an extreme Wetterereignisse. Wie können wir sicherstellen, dass die Assets, in die wir investieren, den steigenden Temperaturen und anderen klimabedingten Risiken standhalten?
LL: Eine robuste Datenbasis zu den physischen Risiken ist entscheidend für eine angemessene Berücksichtigung dieser Risiken in unseren Anlageentscheidungen. Zusätzlich zu den traditionellen Umweltstudien führen wir eine klimabezogene Value-at-Risk-Analyse durch, mit der wir anhand verschiedener Klimawandelmodelle das potenzielle Risiko in Prozent des Asset-Werts für einen bestimmten Zeitraum ermitteln können.
Eine robuste Datenbasis zu den physischen Risiken ist entscheidend für eine angemessene Berücksichtigung dieser Risiken in unseren Anlageentscheidungen
Dieser Ansatz hat zwei große Vorteile. Erstens können wir tragfähig investieren, d. h. Anlagen mit sehr hohen, nur schwer zu begrenzenden Risiken meiden. Zweitens können wir so die Risiken bestehender Investments erkennen und ausloten, wie sich diese wirksam reduzieren lassen. So gibt es beispielsweise relativ kostengünstige Lösungen, um Gebäude widerstandsfähiger gegen hohe Temperaturen zu machen. Eigentümer können Gebäude besser beschatten und mit Sonnenschutz ausstatten, Fensterflächen von vornherein reduzieren und Hitze baulich durch Beton absorbieren.
Neben den physischen Risiken beleuchtet unsere Analyse auch die Risiken der Klimawende – dass bestimmte Assets durch neue Vorschriften und Bedarfsverschiebungen obsolet oder unrentabel werden. Wir wollen Chancen identifizieren, die sich aus diesen Veränderungen ergeben, z. B. Wertschöpfungsmöglichkeiten, indem Assets durch ökologische Verbesserungen zukunftsfest gemacht werden.
Werden solche sanierten Assets tendenziell stärker nachgefragt?
LL: Ökologische Verbesserungen wirken sich oft unmittelbar ertragssteigernd aus. Wir beobachten beispielsweise eine steigende Nachfrage nach energieeffizienten Büroflächen.
Ökologische Verbesserungen wirken sich oft unmittelbar ertragssteigernd aus
Vor Kurzem haben wir das Curtain House erworben, ein jetzt als Bürogebäude genutztes historisches Lagerhaus in der Nähe des Londoner Technologiezentrums „Silicon Roundabout“. Wir sanieren und dekarbonisieren das Gebäude umfassend, indem wir es nachträglich isolieren, mit einer Dachsolaranlage ausstatten, neu verglasen und das Heizsystem elektrifizieren. Die Einstufung im Energieausweis (Energy Performance Certificate, EPC) des Gebäudes wird sich dadurch von „E“ auf „A“ verbessern. Wir rechnen bei diesem Objekt mit einer großen Nachfrage, da es erstklassige Büroflächen in der Nähe eines wichtigen Branchenclusters bieten wird.
Der auf die Klimawende ausgerichtete Ansatz zielt auch auf naturbasierte Lösungen ab. Zu nennen sind hier beispielsweise Aufforstungsprojekte. Was sind die größten Vorteile solcher Assets?
JT: Kürzlich haben wir in Glen Dye Moor investiert, ein 6.300 Hektar großes Gebiet in Schottland, wo wir fünf Millionen Bäume pflanzen und eine der größten jemals durchgeführten Wiederherstellungen von degradiertem Torfland durchführen. Damit leisten wir einen Beitrag zur CO2-Entfernung aus der Atmosphäre und erzielen obendrein einen Ertrag.
Investments in Naturkapital können Real Asset-Portfolios einen Diversifizierungsvorteil verschaffen
Investments in Naturkapital können Portfolios einen Diversifizierungsvorteil verschaffen, da die Vermögenswerte weniger mit anderen Finanzmärkten korreliert sind. Nachhaltige Forstwirtschaft bringt neben langfristigen Erträgen auch Emissionsgutschriften, die als Absicherung gegen steigende CO2-Preise dienen. Die Tatsache, dass dadurch Emissionen anderer Portfoliobestandteile ausgeglichen werden, bewirkt, dass diese Assets zur Erreichung der Netto-Null-Ziele beitragen.
Durch die Anpflanzung von Bäumen und die Renaturierung von Torfflächen im Glen Dye Moor wollen wir Lebensräume für seltene Tierarten wiederherstellen und so die Artenvielfalt steigern. Das Projekt beinhaltet auch die Errichtung von Zugangswegen und öffentlichen Einrichtungen und schafft neue Arbeitsplätze vor Ort.