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Schwellenländer im Wechselspiel der Kräfte: Mit dem Aufstieg Chinas gewinnt der Wettbewerb um Kapital an Schärfe

China wird immer mehr Kapital aus dem Ausland anziehen – mit deutlichen Folgen für Investoren in Schwellenländeranleihen.

Lesedauer: 4 Minuten

Renminbi

Chinas Wirtschaft stellt zwar die der meisten anderen Schwellenländer in den Schatten, ausländisches Kapital entsprechend der enormen Größe des Landes hat das Land traditionell allerdings nicht angezogen. Das könnte sich bald ändern.

Es gibt im Wesentlichen zwei Treiber, die zu mehr ausländischem Kapital in China führen könnten: Der erste ist der sinkende Leistungsbilanzüberschuss. Analysten von Morgan Stanley gehen davon aus, dass China in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1993 ein Defizit aufweisen wird. Um die Lücke zu schließen, lockert die Regierung die Regeln für Auslandsinvestitionen.1

Der zweite Treiber ist die Aufnahme Chinas in mehrere globale Marktindizes. Die Gewichtung chinesischer A-Aktien im MSCI EM-Aktienindex steigt, außerdem wird China schon bald in die wichtigsten Fixed Income-Benchmarks aufgenommen, was in anderen Index-Ländern zu Abflüssen führen könnte. Zusammen dürften diese beiden Faktoren mehr Wettbewerb um Kapital zwischen kleineren Schwellenländern, die auf Kapital von außen angewiesen sind, zur Folge haben.

Es gibt berechtigte Sorgen über die Verlagerung weltweiter Kapitalströme in Richtung China und der Frage, ob dies für andere Schwellenländer zu einem verminderten Angebot an Kapital führen wird. Diese könnten mit der Zeit schwierigeren Finanzierungsbedingungen und niedrigeren Wachstumsraten ausgesetzt sein.

Schwindender Überschuss

Der Leistungsbilanzüberschuss Chinas machte 2007 etwa 10 Prozent des BIP aus, bis Ende 2018 war er offiziellen Angaben zufolge auf 0,4 Prozent gefallen. Dazu beigetragen hat kurzfristiger Gegenwind: So hat der Handelsstreit zwischen den USA und China die Exporte belastet, außerdem haben sich die globalen Ölpreise aufgrund steigender Rohstoffimporte stärker auf Chinas Leistungsbilanzsaldo ausgewirkt.

Unser Ansicht nach dürfte es China langfristig aber schaffen, anhaltende Defizite zu vermeiden. Trotz der Bemühungen Chinas, die Volkswirtschaft mehr in Richtung eines konsumgetriebenen Wachstums umzubauen, ist Chinas Sparquote mit etwa 45 Prozent des BIP immer noch hoch. Zwar wurde ein großer Teil der Sparguthaben von umfangreichen Konjunkturpaketen aufgesaugt. Da China aber seine Wachstumsziele reduziert und die Konjunkturprogramme nun auslaufen lässt, dürfte sich der Leistungsbilanzsaldo im positiven Bereich stabilisieren, erklärt Saroliya.

Dennoch war der jüngste Rückgang des chinesischen Überschusses Anlass für die Regierung, den Finanzmarkt zu liberalisieren und mehr ausländisches Kapital ins Land zu lassen. Ursprünglich hatte Peking den Zugang zum Inlandsmarkt beschränkt und lediglich einer ausgewählten Gruppe ausländischer Investoren die Teilnahme über das QFII-Programm (Qualified Foreign Institutional Investor) ermöglicht – mit Quoten für Pensionsfonds und andere große Institute. Nun eröffnen sich neue Zugänge für einen breiteren Investorenkreis zu Anlagen, die auf Renminbi lauten.

Der China Interbank Bond Market und Bond Connect, die dieselbe Börseninfrastruktur wie Shanghai-Hong Kong Stock Connect nutzen, haben ausländischen Anleiheinvestoren einen deutlich besseren Zugang zum chinesischen Onshore-Markt ermöglicht.

„Eine wichtige Folge dieser Schritte in Richtung Marktliberalisierung ist, dass sie den Weg für die Aufnahme Chinas in globale Indizes frei gemacht haben. Denn deren Zusammensetzung müssen viele internationale Investoren in ihren Portfolios replizieren", ergänzt Ritson.

Aufnahme in Indizes

Den Anfang machten Aktien. Seit Mitte 2018 sind chinesische A-Aktien mit hoher Marktkapitalisierung im MSCI Emerging Markets Index enthalten, 2019 wird ihre Gewichtung in einem zweistufigen Prozess auf über 3 Prozent des Index erhöht. Da der MSCI-Index von aktiven und passiven Fonds mit Mitteln von über 2 Billionen US-Dollar nachgebildet wird, könnte die Anpassung in den kommenden sechs Monaten Prognosen der UBS zufolge zu Abflüssen aus anderen Schwellenländern in Höhe von 40 bis 55 Milliarden US-Dollar führen.2

Sobald China in wichtige Anleiheindizes aufgenommen ist, ist bei Anleihekapital eine ähnliche Reallokation wahrscheinlich. Der erste Anleiheindex, in den China einbezogen wurde, war der Bloomberg Barclays Global Aggregate Index, für den am 1. April 2019 eine 20-monatige Einführungsphase begann. Auf der Einbeziehungsliste stehen chinesische Staatsanleihen und Anleihen von Staatsbanken zur Finanzierung öffentlicher Projekte.

Das wirkt sich schon jetzt auf die Kapitalströme aus. Eine Reuters-Analyse offizieller Daten zeigt, dass der Offshore-Bestand an chinesischen Staatsanleihen Ende April auf ein historisches Hoch von 1,1 Billionen Renminbi (163,7 Milliarden US-Dollar) gestiegen ist, ein Plus von 19 Milliarden Renminbi gegenüber dem Vormonat. 3 Wir gehen davon aus, dass die Einbeziehung in den Global Aggregate Index zu Zuflüssen in Höhe von 100 Mrd. US-Dollar in chinesische Anleihen führen könnte.

Der Markt für chinesische Anleihen in Lokalwährung könnte um weitere 120 Milliarden US-Dollar anwachsen, falls China in den FTSE World Broad Investment Grade Bond Index einbezogen wird. Die Entscheidung steht im September an. JPMorgan Chase & Co. prüft zudem die Aufnahme Chinas in zwei weitere Indizes – den JPM GBI-EM Diversified und den EMBI Global Diversified. Das könnte die Zuflüsse von Kapital nach China um weitere 20 bis 30 Milliarden US-Dollar erhöhen.

Folgen für Investments

Angesichts des chinesischen Anleihemarktes mit einem Volumen von 13 Billionen US-Dollar sind die prognostizierten Zuflüsse relativ moderat. Dennoch werden sie sich unter dem Strich positiv auf die Kurse chinesischer Staatsanleihen auswirken. Der Trend könnte auch größere makroökonomische Auswirkungen haben, da der Yuan schneller zu einer internationalen Reservewährung aufsteigen könnte, was längerfristig wiederum für mehr Zuflüsse aus dem Ausland in Chinas Unternehmensanleihen sorgen könnte.

„Das Kapital, das in Richtung China fließt, wird sowohl von Managern kommen, die sich passiv an Benchmarks orientieren, als auch von aktiven Investoren, die auf attraktive inflationsbereinigte Renditen für chinesische Anleihen setzen möchten. Die Korrelation zwischen festverzinslichen Anlagen in China und den Industrieländern war traditionell gering und bietet aktiven Managern zusätzliche Diversifizierungsvorteile“, so Ritson.

Anderenorts könnten die Folgen allerdings negativ sein, da ein Großteil des in chinesische Anleihen fließenden Kapitals aus anderen Schwellenländern abgezogen werden dürfte. Am größten ist das Risiko für kleinere Länder in den JPMorgan Local Currency-Indizes, die meist auf ausländisches Kapital angewiesen sind.

Wenn China, wie erwartet, in den GBI-EM-Index aufgenommen wird, dürfte seine Gewichtung nach der Umsetzungsphase von mindestens zehn Monaten die Obergrenze von 10 Prozent erreichen. Das verringert die mögliche Gewichtung für andere Index-Länder. Morgan Stanley schätzt, dass beispielsweise der Anteil Kolumbiens am Index um 1,5 Prozent fallen könnte, mit eventuellen Abflüssen aus kolumbianischen Anleihen in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar.

Allerdings könnten die niedrigen Renditen chinesischer Anleihen einige der negativen Auswirkungen durch die Einbeziehung Chinas abschwächen. „Da die Renditen chinesischer Anleihen geringer sind als die vieler kleinerer Länder im Index, dürften einige Investoren China untergewichten, um eine höhere Allokation in anderen Märkten aufrechtzuerhalten. Zudem sollte die schrittweise Implementierung Verwerfungen begrenzen. Dennoch könnten Anleihemärkte wie Malaysia und Russland vergleichsweise hohe Abflüsse verzeichnen – ein negativer technischer Faktor, den Investoren neben anderen Makrorisiken berücksichtigen sollten“, so Ritson.

Im Wechselspiel der Kräfte

Da China eine immer größere Anziehungskraft ausübt, dürfte sich in Schwellenländern der Wettbewerb um ausländisches Kapital verschärfen. Um weiterhin einen angemessenen Anteil an Investitionen anzuziehen, können Entscheidungsträger aus der Politik aber aktiv werden.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Kapitalströme zwar von globalen makroökonomischen Bedingungen wie der Geldpolitik in entwickelten Volkswirtschaften beeinflusst werden, länderspezifische „Pull“-Faktoren aber durchaus eine wichtige Rolle für den Erfolg spielen. Untersuchungen der globalen Kapitalströme ergaben, dass in der Zeit nach der Finanzkrise die Qualität inländischer Institute, spezifische Länderrisiken und die Stärke der Fundamentaldaten wichtige Treiber waren – neben „Push“-Faktoren wie dem allgemeinen Risikoappetit und der US-Zinsen.4

„Diese Ergebnisse legen nahe, dass die politischen Entscheidungsträger ausländische Investitionen anziehen können, indem sie inländische Institute robuster machen und die makroökonomische Politik verbessern. In einem immer stärker umkämpften Schwellenläderuniversum könnten diese Faktoren den Unterschied zwischen Gewinner und Verlierern ausmachen“, ergänzt Ritson.

References 

  1. ‘The transformation of China's capital flows,’ Morgan Stanley research note, February 2019
  2. ‘EM FX: Implications of the $140bn MSCI EM shift,’ UBS, March 2019
  3. ‘Foreign investors raise China holdings as index inclusion begins,’ Reuters, May 2019
  4. Marcel Fratzscher, ‘Push factors versus pull factors as drivers of global capital flows,’ Vox CEPR Policy Portal, August 2011

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Investmentthemen

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