Ertragsorientierte Anleger stehen vor vielen Herausforderungen: Dividendenkürzungen, historisch niedrige Renditen, steigende Ausfälle bei Unternehmensanleihen und unsichere Perspektiven für den Immobilienmarkt. Francois de Bruin begibt sich auf die Suche nach nachhaltigen Ertragsquellen.
Sie müssen nicht auf regelmäßige Ertragsentnahmen angewiesen sein, um zu verstehen, wie enorm wichtig der Zinseszinseffekt und verlässliche Ertragsströme für ein Portfolio sind. COVID-19 hat das Leben für die ohnehin bereits unter niedrigen Renditen leidenden Investoren nochmals erschwert, und jede Anlageklasse steht vor eigenen Herausforderungen.
Da Dividendenerträge ein so wichtiger Teil von Investorenportfolios sind, blicken wir zunächst auf die Aktienseite. 2019 haben börsennotierte Unternehmen weltweit rund 2 Billionen Dollar an Dividendenauszahlungen zugesagt.1 Seitdem beherrschen allerdings Dividendenkürzungen, -aussetzungen und -rücknahmen in vielen Branchen die Schlagzeilen. Die zehn größten Unternehmen im FTSE 100 stehen für fast die Hälfte der Dividenden am britischen Aktienmarkt: Ein Drittel dieser Ausschüttungen fällt nun weg, bei vielen anderen Unternehmen gibt es Kürzungen.
Einige Unternehmen reagieren nur mit Zurückhaltung angesichts dessen, was nach Ansicht von Ökonomen die schwerste Rezession seit Aufzeichnungsbeginn werden könnte
Einige Unternehmen reagieren nur mit Zurückhaltung angesichts dessen, was nach Ansicht von Ökonomen die schwerste Rezession seit Aufzeichnungsbeginn werden könnte. Anderen Unternehmen – etwa europäischen und australischen Banken – wurde die Entscheidung aus der Hand genommen, da Aufsichtsbehörden ein Einfrieren der Dividenden zur Stärkung der Bilanzen fordern.
Auch die neue Balance von effizientem Kapitaleinsatz und Widerstandsfähigkeit lässt Unternehmen umdenken. Vor COVID-19 führte der leichte Zugang zu billigem Geld zu hohen Ausschüttungen, besonders in den USA, wo Aktienrückkäufe ein Rekordniveau erreichten. Diese Strategie könnte sich als kostspielig erweisen, da Unternehmen, die mehr ausschütteten als sie an freien Cashflows erwirtschafteten, nun mit weniger Barmitteln und höheren Schulden dastehen und dadurch schlechter präpariert für den Abschwung sind.
Es gibt immer noch Unternehmen, die aufgrund ihrer Positionierung von langfristigen Wachstumstrends profitieren könnten
In Zeiten wie den aktuellen kann der Blick über den Tag hinaus schwerfallen, doch gibt es immer noch Unternehmen, die aufgrund ihrer Positionierung von langfristigen Wachstumstrends profitieren könnten. So wurde zum Beispiel mit der Verlagerung von Unternehmensaktivitäten in den Online-Bereich die digitale Infrastruktur sehr stark genutzt, Betreiber von Rechenzentren meldeten Rekordniveaus. Der Trend hat Gewicht, da die Datenmengen bis 2025 voraussichtlich um über 25 Prozent pro Jahr steigen werden.2 Auch konnten einige Halbleiterhersteller mit breiter Produktpalette von Smartphone- bis hin zu Autokomponenten während des Lockdowns weiterarbeiten, da sie als systemrelevant gelten
Gut aufgestellt zu sein scheinen außerdem Unternehmen mit defensivem Charakter, etwa in den Branchen Gesundheit, Versorger und Basiskonsumgüter. Insgesamt fallen rund 40 Prozent der weltweiten Dividendenzahler in diese Kategorie. Es gibt also vielfältige Möglichkeiten, und zahlreiche dieser Unternehmen haben ihre Dividenden in den vergangenen Jahrzehnten stetig erhöht.
Energieaktien waren in der Vergangenheit große Dividendenbringer und wurden dadurch zu Favoriten für ertragsorientierte Anleger. Die Branche stand Dividendenkürzungen in der Vergangenheit eher ablehnend gegenüber, selbst bei deutlich sinkender Nachfrage nach Energie und zeitweise rückläufiger Profitabilität. Viel Aufmerksamkeit erregte dann die historische Dividendenkürzung von Royal Dutch Shell: Die erste seit 75 Jahren. Auch viele Wettbewerber von Royal Dutch Shell dürften unter massiven Druck geraten. Die Zeit wird zeigen, ob der Markt eine Dividendenhistorie mehr honoriert als ein robustes Geschäftsmodell.
Schwellenländeranleihen: die wachsende Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern
Der COVID-19-Schock wirkt sich allerdings nicht nur auf Aktienerträge aus. Attraktiv für ertragsorientierte Investoren waren in der Vergangenheit auch die höheren Renditen von Schwellenländeranleihen. Diese müssen nun jedoch vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Aussichten betrachtet werden: Die Haushaltslage vieler Länder verschlechtert sich, der Rückgang des grenzüberschreitenden Handels könnte bei einigen Emittenten zu Zahlungsausfällen führen.
Dennoch gibt es noch attraktive Anlagechancen in ausgewählten Ländern und bei Unternehmen, bei denen erwartet wird, dass sich die Kennziffern trotz kurzfristiger Schwäche nicht verschlechtern dürfte. Zu den überdurchschnittlich gut aufgestellten staatlichen Emittenten gehört die Ukraine, die Reformen vorantreibt und so Zugang zu weiteren IWF-Mitteln erhalten kann. Auch die Elfenbeinküste sowie Kenia haben ihre Staatsausgaben relativ schnell an die neue Lage angepasst und Finanzprognosen bereitgestellt.
Erwähnenswert ist auch, dass sich die Fundamentaldaten für Schwellenländerunternehmen in den letzten Jahren verbessert haben und im Vergleich zu denen von Emittenten aus Industrieländern gut abschneiden: Die Nettoverschuldung ist niedriger, die Zinsdeckung höher, ebenso die Barmittel. Die Ausfallraten von Unternehmensanleihen dürften zwar steigen, aber wohl deutlich niedriger blieben als bei staatlichen Emittenten aus Schwellenländern – und vielleicht sogar niedriger als bei Unternehmen aus Industrieländern.
Insgesamt schreitet die Differenzierung innerhalb des Universums der Emerging Markets also fort. Eine gezielte Auswahl war schon immer entscheidend bei Schwellenländerinvestments, jetzt ist sie wichtiger denn je.
Nachhaltige Erträge aus Sachanlagen
Infrastrukturinvestments können Portfolios eine defensive Basis verleihen. Wohl wenig überraschend ist, dass zu den Branchen, die sich durch überdurchschnittliche Widerstandsfähigkeit auszeichnen, nicht-zyklische Dienstleistungen wie Strom- bzw. Energieversorger gehören. Da der Datenzugang inzwischen zu einer wichtigen öffentlichen Dienstleistung geworden ist, weisen auch die Bereiche Datenübermittlung und -speicherung – ebenso wie Wasser- oder Stromnetze – versorgerähnliche Eigenschaften auf. Größere Unsicherheit herrscht hingegen bezüglich Branchen, die unter einem starken Nachfragerückgang leiden, etwa der Verkehrsbranche mit Flughäfen, Mautstraßen, Autobahnraststätten und Häfen.
Die Widerstandsfähigkeit von Infrastrukturanleihen wird in den kommenden Monaten auf die Probe gestellt werden
Die Widerstandsfähigkeit von Infrastrukturanleihen wird in den kommenden Monaten auf die Probe gestellt werden. In der Vergangenheit haben diese Anleihen weniger unter Rating-Herabstufungen oder Ausfällen gelitten als ähnlich bewertete Unternehmensanleihen. Auch wenn plötzliche Umsatzeinbrüche zu technischem Zahlungsverzug führen können: Ausschlaggebend für die Verhinderung von Zahlungsausfällen oder Umschuldungen wird die Liquidität sein. Einige wenige Sponsoren sind bereits aktiv geworden, haben sich frühzeitig mit Geldgebern in Verbindung gesetzt und agieren schnell um beurteilen zu können, wie etwaige Ertragsausfälle bewältigt werden können. Weit verbreitet ist diese Vorgehensweise aber nicht.
Langfristig ertragreiche Immobilien sind ein Sektor, der sich in schwierigen Zeiten historisch gut entwickelt hat, von wiederkehrenden, vertraglich festgelegten Mieteinnahmen profitiert und weniger konjunkturabhängig ist als andere Branchen. Bei früheren Korrekturen, wie Ende 2018, konnten sich börsennotierte Immobiliengesellschaften deutlich besser entwickeln als globale Aktien. Bei COVID-19 ist die Reaktion bislang anders, der globale Markt für Immobilienfonds schneidet deutlich unterdurchschnittlich ab. Durch eine veränderte Nutzung von Flächen bzw. Räumen hat das Virus einige bereits eingeleitete strukturelle Trends beschleunigt und die zugrunde liegenden Ertragstreiber verändert.
Bei Immobilien mit bonitätsstarken Mietern, etwa aus dem öffentlichen Sektor, sind die Ertragsaussichten im Großen und Ganzen positiv. Supermärkte mit Langzeitmietverträgen scheinen ebenfalls gut platziert zu sein, da durch den Lockdown die Nachfrage nach Lebensmitteln gestiegen ist.
In einigen Teilbranchen erwarten wir deutliche Veränderungen
In einigen Teilbranchen erwarten wir deutliche Veränderungen. Im Logistikbereich könnte die Lagerhaltung steigen, um besser gegen einen Ausfall der Lieferketten gerüstet zu sein – mit positiven Auswirkungen auf die Immobiliennachfrage. Im Bereich Büroimmobilien könnte sich die Verlagerung hin zum Homeoffice beschleunigen. Im Einzelhandel gibt es Herausforderungen, dessen sind wir uns bewusst: Schwächere Einzelhändler an Standorten aus der zweiten Reihe könnten durch die beschleunigte Verlagerung in den Onlinebereich möglicherweise gar nicht mehr in ihre Geschäfte zurückkehren. Die Auswirkungen werden von spezifischen lokalen Faktoren abhängen, einschließlich Umfang und Art der Konjunkturprogramme und der wirtschaftlichen Erholung.
Wie bei der Finanzkrise werden die Auswirkungen von COVID-19 zu einer Neubewertung von Investmentrisiken führen. Da die realen Renditen aber einmal mehr in der Nähe historischer Tiefststände dümpeln, wird die Nachfrage nach Erträgen bestehen bleiben.
COVID-19 hat die Suche wesentlich komplexer gemacht, geht man aber ins Detail, zeigt sich, dass einige Asset-Klassen aussichtsreiche Chancen bieten – manche erwartet, manche unerwartet. Für Investoren ist es bei sorgfältigem Management nach wie vor möglich, robuste Erträge zu erwirtschaften, nur müssen sie heute weiträumiger suchen.