In der Bond-Voyage-Ausgabe dieses Monats erläutert unser Team für Schwellenländeranleihen, warum die Sterne für Schwellenländeranleihen nach der ein oder anderen enttäuschten Hoffnung nun günstig stehen und Outperformance gegenüber anderen Segmenten des Anleihemarktes erwarten lassen.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:

  • Warum der US-Dollar bald kein Ballast mehr für die Wertentwicklung von Schwellenländeranleihen in Lokalwährung sein könnte
  • Wie gut viele Schwellenländer wirtschaftlich aufgestellt sind
  • Ob sich die Zentralbanken in Schwellenländern von der Federal Reserve abkoppeln können

Schwellenländeranleihen in Lokalwährung: vom Schattendasein ins Rampenlicht

Der GBI-Index für Schwellenländeranleihen in Lokalwährung hat in diesem Jahr bisher mehr als 10 Prozent zugelegt. Angesichts attraktiver Bewertungen, hoher Realzinsen und positiver externer Faktoren dürfte sich diese Rallye noch weiter fortsetzen.

Grundvoraussetzung dafür ist ein schwächerer Dollar. Doch viele Schwellenländern haben mit der Schaffung solider makroökonomischer Rahmenbedingungen auch ihren Teil dazu beitragen, haben sie den Zentralbanken dadurch doch den nötigen Spielraum verschafft, um vor dem Hintergrund moderater Preissteigerungsraten die Zinszügel weiter zu lockern.

Der Dollar verliert als Ballast für die Rendite an Gewicht

Anleger waren in der Vergangenheit stets zurückhaltend mit stärkerem Engagement in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung. Dies ist durchaus verständlich. Tatsächlich war die Stärke des US-Dollar in den letzten Jahren als Einzelfaktor die größte Belastung für die Gesamtrenditen in dieser Anlageklasse. So waren die währungsbereinigten Renditen in 11 von 20 Jahren negativ.

Natürlich haben Schwellenländer ein gerütteltes Maß an Krisen durchlebt, von hausgemachten Zahlungsbilanzschocks bis hin zu Krisen mit externer Ursache wie der Corona-Pandemie oder dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Der Dollar-Effekt überschattete jedoch alles.

Doch diese Szenerie scheint sich zu verändern. Die Stärke des Greenback, die er in der Vergangenheit der US-Sonderstellung und der Nachfrage nach US-Anlagen als sicherer Hafen verdankte, erodiert zusehends vor dem Hintergrund einer wachsenden Staatsverschuldung, eines politischen Schlingerkurses, der für Unsicherheit sorgt, und geopolitischer Spannungen – ein klassisches Schwellenländerprofil.

Parallel dazu hat die Wiederwahl von Donald Trump die Angst vor einem Handelskrieg wieder aufleben lassen und Zweifel an der Zuverlässigkeit der USA in der Wirtschaftspolitik genährt, was die Attraktivität von Anlagen in US-Dollar mindert, und dies in einer schwierigen geopolitischen Gemengelage.

Wir sehen darin mehr als nur einen taktisch motivierten Szenenwechsel. Mit dem Ende einer Dollar-Hausse setzte in der Regel ein Kapitalfluss in Schwellenländer ein, insbesondere in Anleihen in Lokalwährung. Tatsächlich haben Schwellenländeranleihen in der Vergangenheit nicht nur bei einem Dollar im Sinkflug sowohl absolut als auch relativ eine überdurchschnittliche Wertentwicklung gezeigt, sondern tendenziell auch in seitwärts tendierenden Märkten oder Konsolidierungsphasen. Dann hat der Wechselkurseffekt kein so starkes Gewicht mehr, und die höheren nominellen und realen Zinsen im Universum der Lokalwährungsanleihen kommen zum Tragen. Abbildungen 1 und 2 zeigen die verschiedenen Zyklen der US-Währung seit Anfang des Jahrhunderts.

Abbildung 1: Cycles in the US dollar exchange rate (index)

Note: US dollar index.

Source: Aviva Investors, Macrobond. Data as of June 27, 2025.

Abbildung 2: Dollar cycles in recent decades and EM returns (per cent)

      Annualised returns (USD)
Dollar cycle Period DXY change JP Morgan Emerging Market Bond Index JP Morgan Government Bond Index-Emerging Markets
USD weakness December 2002 - March 2008 29.5 12.2 15.4
USD consolidation March 2008 - April 2011 1.6 9.0 11.8
USD strength April 2011 - September 2022 48.8 3.8 -0.3

Note: US dollar index.

Source: Aviva Investors, Macrobond. Data as of June 27, 2025.

Vor allem aber spricht der Punkt, an dem sich viele Schwellenländer im Konjunkturzyklus befinden, für eine Währungsaufwertung. Die Diskrepanz in der Wachstumsdynamik zwischen Schwellen- und Industrieländern dürfte in den nächsten Quartalen noch größer werden. Auch die externen Fundamentaldaten zeichnen ein solideres Bild, wie dies an Rekordständen an Devisenreserven in vielen Schwellenländern abzulesen ist. Dieser Trend wird durch die wachsende Attraktivität von Schwellenländerwährungen selbst zusätzlich verstärkt. Länder wie Indien, Brasilien, Mexiko und Polen sind gut positioniert, um von der Neuordnung der globalen Lieferketten, regionaler Integration und größerer Nachfrage nach Rohstoffen und Industrieerzeugnissen zu profitieren. Mit steigenden Kapitalzuflüssen und einer höheren volkswirtschaftlichen Ersparnis in Schwellenländern gewinnen die Währungen dort an Resilienz und Stärke.

Größerer Handlungsspielraum

Aus einer Lokalwährungsperspektive ist ein schwächerer Dollar gut für Schwellenländer, sinkt damit doch der Inflationsdruck in diesen Volkswirtschaften, was den Zentralbanken größeren Spielraum für Zinssenkungen gibt. Der seit 2022 zu beobachtende disinflationäre Trend ist in den Schwellenländern nach wie vor intakt. Die Inflation bewegt sich in vielen dieser Länder auf die anvisierte Zielmarke zu. Stärkere Währungen und niedrigere Rohstoffpreise bilden ein Gegengewicht zu sich hartnäckig haltenden inflationären Tendenzen im Dienstleistungssektor.

Und für viele Zentralbanken in Schwellenländern ist auf Jahressicht der Abstand zwischen Ex-ante-Realzinsen und einem neutralen Zinssatz weitaus größer als zwischen Inflationsrate und Inflationsziel (siehe Abbildung 3). Besonders groß ist der Spielraum für weitere Zinssenkungen in Brasilien, Kolumbien, Südafrika und Ungarn. 

Abbildung 3: EM central banks are still restrictive relative to inflation gaps (per cent)

Note: Showing real ex-ante central bank policy rates gap (one-year forward policy rate less the neutral rate), versus inflation gap (one-year forward inflation rate less target inflation rate) for each economy.

Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of June 30, 2025.

Doch können sich die Zentralbanken in Schwellenländern in diesem Zyklus wirklich von der Federal Reserve (Fed) abkoppeln?

Waren am Markt zunächst eine Rezession in den USA und signifikante Zinssenkungen durch die Fed eingepreist worden, hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass angesichts der aus den Wirtschaftsdaten hervorgehenden größeren Resilienz in diesem Jahr eventuell auch ein oder zwei Zinssenkungen ausreichen. Bisher war das Zinsgefälle ein limitierender Faktor in der Reaktionsfunktion der Zentralbanken von Schwellenländern, in erster Linie wegen Bedenken im Hinblick auf eine implizite Schwächung ihrer Währungen. Aber jetzt sind diese in ihrem Handlungsspielraum durch die Fed vielleicht nicht mehr so stark eingeschränkt: Bei dem aktuellen Realzinsniveau haben die Schwellenländer unter Berücksichtigung der Konjunkturphase mehr als genug Puffer. Die Realzinsen bewegen sich durch die Bank im Bereich historischer Höchststände. Besonders attraktiv erscheint unter Durationsgesichtspunkten im regionalen Vergleich Lateinamerika.

Orthodoxer Kurs zahlt sich aus

Von dem makroökonomischen Rückenwind einmal abgesehen, hat sich in den Schwellenländern auch strukturell viel getan, was Lokalwährungsanleihen attraktiver macht. In den letzten zehn Jahren haben viele Regierungen in Schwellenländern Haushaltsdisziplin praktiziert, den geldpolitischen Rahmen gestärkt und politische Maßnahmen besser miteinander verzahnt.

Die politischen Entscheidungsträger haben auch unter Druck an einem orthodoxen Kurs festgehalten

Vor allem aber haben die politischen Entscheidungsträger auch unter Druck an einem orthodoxen Kurs festgehalten. Ob sie nun mit marktfreundlichen Maßnahmen auf schwere Schocks für die Märkte/Volkswirtschaften reagierten (Türkei), trotz schwerer haushaltspolitischer Schieflagen entschlossen auf Kurs blieben (Brasilien, Kolumbien) oder sich von extern induzierten Unsicherheiten in ihren geldpolitischen Entscheidungen nicht beirren ließen (Ungarn, Südafrika, Polen): Die Zentralbanken dürften das Vertrauen genießen, dass sie die über Jahre hinweg aufgebaute Glaubwürdigkeit ihrer Politik nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Besonders unbeachtet bleibt bei Schwellenländern oft die Tatsache, wie stark sich deren Staatsfinanzen und Glaubwürdigkeit in den vergangenen rund zehn Jahren verbessert haben. Damit ist es aus unserer Sicht nicht mehr plausibel, ein stärkeres Engagement in Schwellenländern mit höherem Risiko gleichzusetzen. Dies gilt insbesondere in einer Welt, in der sich die Fundamentaldaten von Industrieländern verschlechtern.

Im Vergleich zu anderen Anlageklassen an den Rentenmärkten, insbesondere Industrieländeranleihen mit ähnlichem Rating, bieten Schwellenländeranleihen in Lokalwährung bei geringerem Durationsrisiko eine höhere Rendite. Anleger sollten daher in diesem Marktsegment eher die Chancen sehen als eine Risikoobsession zu entwickeln (siehe Abbildung 4). 

Abbildung 4: EM local currency debt yields and duration versus peers (yield, per cent; duration, years)

Note: US IG = Bloomberg US Aggregate Bond Index Total Return Unhedged USD; US HY = Bloomberg US Corporate High Yield Total Return Index Unhedged USD; UST = Bloomberg US Treasury Total Return Index Unhedged USD; DM bonds = Bloomberg Global Aggregate Treasuries Total Return Index Value Unhedged USD; CEMBI Div = Corporate Emerging Markets Bond Index Diversified; EMBI GD = Emerging Markets Bond Index Global Diversified; GBI EM (unhedged) = Local Currency Emerging Markets Government Bond Index. 

Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of June 30, 2025.

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