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ESG: Vorschriften gehören auf den Prüfstand

Mit neuen Vorschriften will die EU verantwortungsbewusste Geldanlagen fördern. Höchste Zeit, findet Thomas Stokes, Investment Director bei Aviva Investors.

Unsere Prognose sieht so aus, dass in fünf Jahren die Altersvorsorge- und Finanzanlagen von Kunden „nachhaltig“ investiert sein werden. Der Erfolg eines Fondsmanagers dürfte in Zukunft nicht mehr allein an der Anlageperformance gemessen werden. Zunehmend wird stattdessen auch der Umgang der Verwalter mit Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance, kurz: ESG), etwa mit dem Klimawandel, der Ungleichheit und der gesellschaftlichen Vielfalt stärker in den Fokus rücken. Zum Glück schließen sich beide Aspekte nicht unbedingt gegenseitig aus. Vielmehr gibt es sogar empirische Studien, die das Gegenteil belegen. So nahm zum Beispiel Morningstar 4.900 Fonds unter die Lupe und stellte fest, dass 59 Prozent der nachhaltigen Fonds über den 10-Jahres-Zeitraum bis 2019 besser abgeschnitten hatten als herkömmliche Vergleichsangebote. 1

Was macht uns so sicher, dass ESG-Anlagen an Bedeutung gewinnen werden? 

Erstens glauben wir, dass die Nachfrage nach ESG-Anlagen in starken Triebkräften begründet liegt, die mehr sind als eine reine Modeerscheinung. Doch wie ist die Lage aktuell? Fakt ist, dass die meisten Menschen relativ wenig Ahnung davon haben, wie ihre Altersvorsorge und ihre Finanzinvestments angelegt sind. So mancher weiß vielleicht, welcher Anbieter seine betriebliche Altersvorsorge verwaltet, doch die wenigsten kennen die bestimmten Unternehmen und Wertpapiere, in die sie ihr Geld indirekt stecken. Zur Verteidigung der Anleger müssen wir als Finanzbranche wohl eingestehen, dass wir es ihnen nicht gerade einfach gemacht haben, eine echte Bindung zu ihren Geldanlagen aufzubauen. 

Menschen gehen nun bewusster an das Thema Geldanlage heran

Gleichwohl ist der positive Trend unübersehbar: Nachdem sich die Menschen in den letzten Jahren zu eifrigen Mülltrennern gemausert haben, gehen sie nun auch an das Thema Geldanlage bewusster heran. Die Zahlen sprechen für sich: In einer aktuellen Aviva-Umfrage gaben 92 Prozent der Anlageberater an, dass ESG in ihrer Arbeit in den nächsten Jahren ein größeres Gewicht bekommen wird – getrieben hauptsächlich durch die wachsende Nachfrage ihrer Kunden. Das gestiegene Interesse scheint zudem nicht nur ein Strohfeuer zu sein – Umstände wie die Coronakrise und die Black Lives Matter-Bewegung tun ihr Übriges, um die Herausforderungen der heutigen Zeit eindringlich in Erinnerung zu rufen. Letzten Endes wird sich die Finanzbranche dem Drängen der Kunden nicht widersetzen können und ihr Angebot an deren Bedürfnisse anpassen. 

Maßgeblichen Einfluss wird neben dem Nachfrageverhalten der Kunden aber auch die bevorstehende Revolution bei den regulatorischen Vorgaben haben. 

Wieviel kann Regulierung wirklich bewirken? 

Die Antwort ist: „sehr viel“. Können Sie sich noch an die Zeiten erinnern, als Rauchen in Restaurants erlaubt war und Sie Ihre Einkäufe in kostenlosen Plastiktüten nach Hause getragen haben? Alles ungesunde und umweltschädliche Verhaltensweisen, die sich durch staatliche Vorgaben rasant verändert haben. So ähnlich wird es uns auch in der Welt der Geldanlage ergehen, wenn ESG-Anlagen zur Norm werden. Genau wie bei den Rauch- und Plastiktütenverboten ist auch diese Veränderung im Interesse jeder und jedes Einzelnen. 

Worin bestehen die Regulierungsvorschriften?

Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit neue Vorgaben, die schon nächstes Jahr Eingang in die Gesetzgebung der Länder finden sollen. Für die Finanzberater vor Ort bedeutet dies, dass sie ihre Kunden fragen müssen, ob diese Empfehlungen zu Fonds mit ESG-Ausrichtung wünschen. 

Hauptziel der neuen Regelungen ist es, Privatanleger über verantwortungsbewusste Geldanlagen aufzuklären

Parallel dazu sollen weitere Vorschriften die Transparenzanforderungen an die Fondsmanager hinsichtlich des ESG-Profils ihrer Portfolios deutlich hochschrauben. Berater sollen zudem erklären müssen, wie sie Angaben zur Nachhaltigkeit von Anlagen in ihre Empfehlungen einbeziehen. Hauptziel der neuen Regelungen ist es, Privatanleger über verantwortungsbewusste Geldanlagen aufzuklären und dafür zu sorgen, dass Interessierten geeignete ESG-Lösungen angeboten werden. 

Diese Schritte sind nur die ersten Ausläufer einer anstehenden Welle von Rechtsvorschriften. Je mehr sich ESG-Anlagen etablieren, desto stärker wird auch die Regulierung anziehen und desto präziser wird definiert werden, was genau ESG-Anlagen sind. 

Wende zum Guten 

Entscheidend ist die Feststellung, dass die Tage, in denen die Rendite das alleinige Anlagemotiv für die Kunden war, gezählt sind. Vielmehr werden Kunden immer stärker einfordern, dass ihr Geld verantwortungsvoll eingesetzt wird, um eine bessere Welt für sie selbst und ihre Nachkommen zu schaffen. 

Eine verantwortungsbewusstere Finanzbranche kann sehr viel Positives bewirken

Was uns so optimistisch macht, ist die Überzeugung, dass beide Ziele miteinander im Einklang stehen. Außerdem führen diese Änderungen eine wertvolle Erkenntnis vor Augen: Eine verantwortungsbewusstere Finanzbranche kann sehr viel Positives bewirken und uns auf dem Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt ein ganzes Stück voranbringen.

Wesentliche Risiken

Der Wert einer Anlage und die damit erzielten Erträge können aufgrund von Währungs- und Wechselkursschwankungen sowohl steigen als auch fallen. Möglicherweise erhalten Anleger den ursprünglich investierten Betrag nicht zurück.

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