Global Equity Income-Fondsmanager Richard Saldanha erläutert, warum man sich in dem wechselhaften und volatilen Marktumfeld heute ein Beispiel an der Schildkröte nehmen sollte.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Warum Aktienanleger sich anschnallen und beim Risiko einen Gang zurückschalten müssen
- Warum die Musik nicht mehr nur in den USA und bei den Magnificent Seven spielt
- Warum dividendenstarke Aktien weltweit aktuell attraktiv sind
Nach teilweise extrem hohen Renditen beim S&P 500 in den letzten Jahren kehrte die Volatilität 2025 wieder mit voller Wucht zurück. Dies hat viele dazu veranlasst, sich zu fragen, ob die Tage des sogenannten „amerikanischen Exzeptionalismus“ – der Vorstellung, dass die USA mit ihrer Sonderstellung dauerhaft die Polposition gepachtet haben – gezählt sind.
Die beiden Grafiken in Abbildung 1 zeigen die Wertentwicklung des MSCI World Index und wie sich das Blatt in den letzten Monaten gewendet hat. Die dunkelgrüne Kurve veranschaulicht die Wertentwicklung des Index einschließlich der USA, die hellgrüne Kurve zeigt die Wertentwicklung ohne die USA.
Abbildung 1: The end of US exceptionalism? (index value)
Past performance is not a reliable indicator of future returns.
Note: Data shown for the MSCI world index, including and excluding the US.
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of June 18, 2025.
Mit Blick auf die positive Entwicklung des US-Index bisher in diesem Jahr könnte man sich fragen, was die ganze Aufregung eigentlich soll. Die Gesamtrendite verstellt jedoch den Blick auf eine Reihe unvorhergesehener Störungen, die immer wieder für erhebliche Marktturbulenzen gesorgt haben. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang u. a. die anhaltenden geopolitischen Spannungen, das neue chinesische KI-Start-up DeepSeek, das Anfang Januar Furore machte, und natürlich die Ankündigung von Zöllen durch US-Präsident Donald Trump.
Auch wenn niemand genau vorhersagen kann, was als nächstes kommt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns auf eine längere Phase höhere Volatilität einstellen müssen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass anhaltende politische Unsicherheit in den USA und Spannungen im Handelskonflikt weiterhin das Bild prägen. Noch während der Entstehung dieses Beitrags eskalieren die Spannungen im Nahen Osten und sorgen für zusätzliche Volatilität.
Was bedeutet dies für Aktienanleger? Aus unserer Sicht müssen Anleger sich anschnallen und sollten beim Risiko in ihren Portfolios einen Gang zurückschalten. Diversifizierung lautet das Gebot der Stunde, sowohl geografisch als auch durch Aktien, die laufende Erträge generieren.
Die Schildkröte und der Hase
Eine Meldung in der Nachrichtenflut von den Märkten war im Mai die Ankündigung des Rücktritts von Investoren-Legende Warren Buffett zum Jahresende. Aus vielen seiner Äußerungen spricht seine profunde Kenntnis des Investmentgeschäfts, aber ein Zitat passt gerade besonders. Auf die Frage, warum nicht mehr Leute seiner einfachen Maxime folgten, antwortete er: „weil niemand langsam reich werden will“.
Das trifft es, wenn man aktuell das Marktgeschehen beobachtet. Man könnte eine Parallele zwischen ertragsorientierten Anlagen und der Äsop-Fabel von der Schildkröte und dem Hasen ziehen, in welcher der sehr von sich selbst überzeugte Sprinter gegen die ruhig und stetig vor sich hin stapfende Schildkröte verliert.
Der Aktienmarkt hat in letzter Zeit Haken geschlagen wie ein Hase. Viele Anleger, die mit überhöhtem Exposure in Bezug auf den amerikanischen Aktienmarkt und insbesondere die Magnificent Seven (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) eine Selbstüberschätzung an den Tag legen wie der Hase, könnten damit in nächster Zeit das Nachsehen haben.1 Die astronomischen Renditen der Magnificent Seven werden aus Abbildung 2 ersichtlich.
Abbildung 2: The tech giants’ runaway returns (total return index values)
Past performance is not a reliable indicator of future returns.
Note: S&P 500 index and total return indices for Bloomberg Magnificent Seven and US 500 excluding the Magnificent Seven.
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of June 18, 2025.
Dividendenstarke Aktien und Anleger in solche Aktien haben eher Ähnlichkeit mit einer Schildkröte. Langsam und stetig sparen sie ihre Dividenden an und halten unbeirrbar an ihrer Strategie fest, mit der sich langfristig attraktives Kapitalwachstum erzielen lässt.
D im Doppelpack: Diversifizierung und Dividenden
Es ist kein Geheimnis, dass Dividenden eine wichtige Rolle spielen. Das gehört zum ABC jedes angehende Investors. Wie schon in einem früheren Beitrag erläutert (siehe Tech’s tightening grip)2, ist diese grundlegende Erkenntnis jedoch in den letzten Jahren angesichts der Dominanz und exorbitanter Renditen einer kleinen Gruppe von US-Megacap-Aktien in Vergessenheit geraten.
Die USA sind fraglos nach wie vor ein großartiger Markt für Kapitalanlagen mit einigen Ausnahmeunternehmen
Um es ganz klar zu sagen: Die USA waren und sind fraglos ein großartiger Markt für Kapitalanlagen, mit einigen Unternehmen, die unter Qualitäts- und Renditegesichtspunkten als Ausnahmeerscheinungen gelten können. Doch der MSCI World Index setzt sich derzeit zu rund 70 Prozent rein aus US-Aktien zusammen, und rund 22 Prozent des Gesamtindex entfallen mittlerweile allein auf die Magnificent Seven.
Ereignisse in den letzten sechs Monaten haben Anleger dazu veranlasst, sich verstärkt Gedanken darüber zu machen, ob ihr Portfolio ausreichend diversifiziert ist.
Wir sind der festen Überzeugung, dass Anleger mit einer diversifizierten Allokation in globale Aktien und insbesondere dividendenstarken Aktien in diesen doch recht unruhigen Zeiten etwas sicherer fahren.
Wir sind nach wie vor stark in den USA investiert und halten auch zwei der Magnificent Seven-Aktien in unseren Portfolios (Microsoft und Alphabet, erstere ist schon seit gut zehn Jahren Bestandteil unserer Global Income-Strategie).3 Dass diese Sieben extrem erfolgreiche Unternehmen sind, steht außer Frage. Fakt ist aber auch, dass sie im Vergleich zum breiteren Markt hoch bewertet sind. Davor sollte man nicht die Augen verschließen. Unserer Ansicht nach spielt die Musik jedoch nicht mehr nur in den USA. Wir sehen auch andernorts großes Potenzial, vor allem in Europa, wo eine ganze Reihe von attraktive Dividenden ausschüttenden Global Playern angesiedelt ist, und zunehmend auch in Asien.
Anlagen in solche „langweiligen“ Unternehmen bedeuten nicht, dass man damit nicht an langfristigen Wertsteigerungen partizipiert
Aktien mit attraktiven Dividenden im Portfolio zu halten kann Anlegern ein gewisses Maß an Kapitalschutz bieten, insbesondere in Zeiten unvorhersehbarer Markteinbrüche wie dieses Jahr im April.
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung bedeuten Anlagen in solche „langweiligen“ Unternehmen nicht, dass man damit nicht an langfristigen Wertsteigerungen partizipiert. Unternehmen mit inflationsbereinigtem Dividendenwachstum sind aussichstreichere Kandidaten für langfristigen Kapitalzuwachs und bieten in den stürmischen Zeiten, wie wir sie derzeit erleben, mehr Schutz.
Kapitalanlage sollte als Marathon und nicht als Sprint betrachtet werden, und wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Ansatz langsam und stetig zum Erfolg führt. Doch wer im Rennen bleiben will, braucht Disziplin, Ausdauer und Mut. Aus unserer Sicht sollte man sich jetzt ein Beispiel an der Schildkröte nehmen.