Schwellenländeranleihen waren in diesem Jahr bislang einer der wenigen Lichtblicke für Anleger, die noch ihre liebe Not damit haben, die Auswirkungen der durch die US-Politik ausgelösten Verwerfungen abzuschätzen. In diesem Artikel beleuchten Carmen Altenkirch und Nafez Zouk, warum der Markt gut aufgestellt ist, um anhaltenden Marktturbulenzen zu trotzen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Warum sich Schwellenländeranleihen vor dem Hintergrund eines heraufziehenden Handelskrieges so gut behaupten konnten.
- Warum die Anlageklasse weiterhin von starken Fundamentaldaten profitieren dürfte.
- Warum Anleger darüber nachdenken sollen, bei ihren Rentenanlagen verstärkt auf Schwellenländeranleihen zu setzen, wenn sie dies nicht schon getan haben.
US-Präsident Donald Trump hat mit seinen allem Anschein nach unberechenbaren Entscheidungen die Finanzmärkte verunsichert. Spiegelbild des erratischen politischen Kurses der USA sind volatile Finanzmärkte. Die Stimmung schwankt zwischen einer extremer Besorgnis, dass die USA kurz vor einer Rezession stehen, und der wesentlich optimistischeren Sicht, dass ein Handelskrieg noch abgewendet werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die traditionellen sicheren Häfen wie der Schweizer Franken und Gold gefragt waren.
Nur wenige andere Anlageklassen boten Anlegern Zuflucht. Mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Schwellenländeranleihen (Emerging Market Debt – EMD). Auf lokale Währungen lautende Schwellenländeranleihen haben sich sehr gut entwickelt und verzeichneten seit Jahresbeginn eine Rendite von 8,2 Prozent (Stand 7. Mai).
Auch EM-Hartwährungsanleihen haben sich weitaus besser entwickelt, als man mit Blick auf andere ähnliche Phasen ausgeprägter Risikoaversion hätte erwarten können. Sie liegen in der Wertentwicklung nur leicht hinter US-Staatsanleihen, was die Einschätzung am Markt stützt, dass sich Schwellenländeranleihen zu einer zunehmend resilienten Anlageklasse entwickelt haben.
Amerikanischer Exzeptionalismus einmal anders
Dass EM-Anleihen so gut abgeschnitten haben, mag für manche überraschend sein. Schließlich war mit dem Wahlsieg von Donald Trump allgemein die Erwartung einer Renaissance des „amerikanischen Exzeptionalismus“ verbunden. Die Volkswirtschaften der Schwellenländer hingegen galten in dem Szenario eines drohenden Handelskrieges als besonders anfällig, insbesondere angesichts einer erwarteten Stärkung des US-Dollars.
Nur vier Monate nach Jahresbeginn sieht es nun ganz anders aus. Der neuesten Prognose des Internationale Währungsfonds (IWF) zufolge wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr nur um 2,8 Prozent wachsen. Vor drei Monaten war die Prognose noch einen halben Prozentpunkt höher. Im nächsten Jahr sei dann nur mit einer marginalen Wachstumssteigerung zu rechnen.
Doch während man früher davon ausging, dass die negativen Auswirkungen von US-Zöllen vor allem die Handelspartner treffen würden, sieht es jetzt ganz danach aus, als würden die USA selbst die Hauptlast tragen.
Der IWF geht davon aus, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr nur noch um 1,8 Prozent wachsen wird. Damit liegt diese Prognose ein Drittel unter der Schätzung von Januar. Auch die Wachstumsprognose für das gesamte Schwellenländeruniversum wurde um 0,5 Prozentpunkte nach unten korrigiert, was jedoch in erster Linie auf niedrigere Prognosen für China und die Länder zurückzuführen ist, die am stärksten von den US-Zöllen betroffen sind (z. B. Mexiko) oder besonders unter einem niedrigeren Ölpreis leiden (z. B. Saudi-Arabien). Die Wachstumsprognosen für die meisten Schwellenländer wurden nur leicht korrigiert, was darauf hindeutet, dass sie einen Handelskrieg vergleichsweise unbeschadet überstehen dürften.
Wachsende Resilienz von Schwellenländeranleihen
Dass Schwellenländeranleihen sich bei den aktuellen Turbulenzen gut schlagen, dürfte für Kenner dieser Anlageklassen keine Überraschung sein
Dass Schwellenländeranleihen sich bei den aktuellen Turbulenzen gut schlagen, dürfte für Kenner dieser Anlageklassen keine große Überraschung sein. Schließlich hatten sie in den letzten Jahren mit anderen starken Schocks zu kämpfen, vor allem mit der Pandemie und der hohen Inflation nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und der damit verbundenen weltweiten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen. Beide Schocks haben sie relativ gut überstanden.
Aktuell ist die Inflation in den meisten Ländern rückläufig. Dies dürfte den Zentralbanken Spielraum für weitere Zinssenkungen verschaffen, insbesondere wenn der Dollar weiter unter Druck steht. Auch die Leistungsbilanzen sehen allgemein gut aus, so dass Devisenreserven aufgebaut werden können. Beim Blick auf die Haushaltslage bietet sich ein gemischteres Bild, haben doch manche Länder mit einer steigenden Schuldenlast zu kämpfen. Niedrigere Zinsen und wieder lockerere globale Finanzierungsbedingungen dürften indes auch den Ländern mit den größten Finanznöten Erleichterung verschaffen.
Auch wenn es nach wie vor ein gewisses Restrisiko einer globalen Rezession gibt, dürften die Schwellenländer im Großen und Ganzen weiterhin solide Wachstumsraten verzeichnen. Bei den Exporten ist die Unsicherheit größer geworden, aber die starke Binnennachfrage und kräftige Lohnzuwächse stützen die Konjunktur in den meisten größeren Schwellenländern. Die Wachstumsdynamik in China wird nach allgemeinen Dafürhalten nicht so stark nachlassen, dass die Rohstoffpreise deutlich sinken. Daher werden Schwellenländer den Prognosen zufolge weiterhin schneller wachsen als Industrieländer.
Abbildung 1: Real GDP Growth: EM vs DM (% y/y)
Source: Macrobond, as at 06/05/2025
Wir haben ein Modell entwickelt, mit dem jedem Land auf der Grundlage verschiedener Faktoren ein Rating zugewiesen wird. Kürzlich haben wir es benutzt, um verschiedene Schwellenländer mit Industrieländern zu vergleichen. Dass Letztere dabei besser abgeschnitten haben, ist keine große Überraschung. Ein Großteil dieses Gefälles ist jedoch auf Faktoren wie Gesamt-BIP, BIP pro Kopf und staatliche Governance zurückzuführen.
Diese Faktoren sind zwar wichtig, weil sie die Widerstandskraft eines Landes bei wirtschaftlichen Schocks stärken, aber relativ statisch. Daher haben sie weniger Einfluss auf die Anleihekurse als zyklischere Komponenten des Ratings, wie z. B. Wirtschaftswachstum und Inflation, die Höhe der Verschuldung der öffentlichen Haushalte und die Auslandsverschuldung.
Interessant ist dabei, dass viele Industrieländer nach diesen Kriterien genauso anfällig erscheinen wie riskantere Segmente des EM-Universums. Die folgende Abbildung zeigt die Ratings der verschiedenen Länder sowohl nach strukturellen als auch nach konjunkturellen Faktoren. Daran wird deutlich, dass die Industrieländer mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen und ihren größeren Volkswirtschaften zwar strukturell in der Tendenz besser aufgestellt sind, bei konjunkturellen Faktoren wie Haushaltsdefizite und Wachstum aber kaum Unterschiede bestehen. Länder wie die USA und das Vereinigte Königreich sind im Wesentlichen in einer ähnlichen Lage wie Rumänien, das sein Investment-Grade-Rating zu verlieren droht.
Abbildung 2: Country Risk Distribution
Source: Fitch, Aviva Investors, as at 07/05/2025
Ideale Bedingungen
Schwellenländeranleihen in lokalen Währungen profitieren mit einer mittlerweile eingehegten Inflation und einem schwächeren US-Dollar von idealen Bedingungen
Schwellenländeranleihen in lokalen Währungen profitieren mit einer mittlerweile eingehegten Inflation und einem schwächeren US-Dollar von idealen Bedingungen.
Wie Abbildung 3 zeigt, entfallen die nicht abgesicherten Gesamtrenditen in lokalen Währungen von Schwellenländern in diesem Jahr bisher fast zu gleichen Teilen auf sinkende Zinserträge (Zinsrenditen) und einen steigenden Wechselkurs (Devisenrenditen).
Die Abwertung des Dollars und die Wahrscheinlichkeit, dass chinesischen Exporteure auf der Suche nach neuen Absatzmärkten für ihre Produkte gezwungen sein werden, ihre Preise zu senken, dürften die Inflation weiter sinken lassen. Dies wiederum sollte den Zentralbanken den nötigen Spielraum verschaffen, von einem hohen Realzinsniveau aus die Zinsschraube zu lockern, ohne eine Schwächung der Währung befürchten zu müssen.
Abbildung 3: Source of EM local currency returns (% YTD)
Source: Macrobond as at 07/05/2025, shows JP Morgan EM local currency benchmark
Anlagechancen im EMD-Universum sind nicht auf staatliche Emittenten beschränkt. Unternehmensanleihen bieten Anlegern die Möglichkeit, ihre Renditen zu steigern und gleichzeitig ihr Engagement in den Schwellenländern weiter zu diversifizieren und so die Resilienz ihres Portfolios potenziell zu stärken.
Die Emittenten sind in verschiedenen Sektoren tätig und kommen aus vielen verschiedenen Ländern. Das Spektrum reicht von quasi-staatlichen Emittenten über börsennotierte Unternehmen bis hin zu nicht börsennotierten Unternehmen in privater Hand. Manche dieser Unternehmen sind nationale Champions, andere Weltmarktführer in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern. Attraktive Anlageoptionen sind auch Zweckgesellschaften. Das Ratingspektrum reicht hier von Investment Grade bis High Yield.
Mit der Kombination aus Unsicherheit aufgrund der Perspektiven für den Welthandel und damit für die Weltwirtschaft und der Vielfalt an Möglichkeiten bietet der Markt derzeit wohl fruchtbaren Boden für aktives Management.
In unseren Portfolios setzen wir beispielsweise auf Unternehmen, denen wir zutrauen, auch in schwerem Fahrwasser mit Zöllen, einer Wachstumsverlangsamung, starken Währungsschwankungen und beträchtlichen Zinsschwankungen auf Kurs zu bleiben.
Wie immer bei Schwellenländern müssen sich Anleger bewusst machen, dass es sich nicht um eine homogene Anlageklasse handelt. Wie der IWF einräumt, werden einige stark von den USA als Exportmarkt abhängige Länder wie Mexiko die Auswirkungen dieser Entwicklung wahrscheinlich besonders stark zu spüren bekommen. Die Zölle von US-Präsident Trump werden die mexikanische Wirtschaft in diesem Jahr wahrscheinlich um bis zu 1,8 Prozentpunkte schrumpfen lassen und könnten das Land damit in eine Rezession zu stürzen.
Rumänien und Kolumbien, zwei Länder mit hohem Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit, könnten ebenfalls stark betroffen sein, wenn der Handelskonflikt zu einer Verschärfung der globalen Finanzierungsbedingungen führt, so dass ihre Zentralbanken keine Luft mehr für Zinssenkungen haben, während sich gleichzeitig das Wirtschaftswachstum abkühlt.
Diversität ist Trumpf
Doch die Diversität der Anlageklasse ist eine ihrer größten Stärken. Mit Staatsanleihen mit Investment-Grade- und Sub-Investment-Grade-Rating, Unternehmensanleihen und Anleihen in Hart- und Lokalwährungen können Anleger aus einer breiten Angebotspalette auswählen.
Die Vielfalt der Anlageklasse ist eine ihrer größten Stärken
Von den 70 Ländern unseres Staatsanleiheuniversums stehen wir 32 positiv gegenüber. Diese Länder sind nicht alle Teil derselben Region, sie sind auch nicht alle Rohstoffproduzenten und längst nicht alle gelten als Investment Grade. So sehen wir beispielsweise positive Perspektiven für Oman, Marokko, Guatemala und Aserbaidschan. Mit einer relativ niedrigen Verschuldung, einem Bekenntnis zu Reformen und einer glaubwürdigen Wirtschaftspolitik sind diese vier Länder unserer Meinung nach auf dem Weg zu einem Investment-Grade-Rating.
Ägypten, Pakistan und Sri Lanka sind drei weitere Länder mit Aufwärtspotenzial in der Bonitätsbewertung durch Reformen und Haushaltskonsolidierung.
Wie bei jeder anderen Anlageklasse sind auch Anlagen in Schwellenländeranleihe nicht ganz risikolos. Größtes Risiko ist derzeit eine Eskalation des Handelskriegs zwischen den USA und China mit einer starken Bremswirkung für die Weltwirtschaft.
Aber wie die diesjährige Rallye zeigt, können Schwellenländeranleihen solchen globalen wirtschaftlichen Schocks trotzen. Als Renditebooster und Diversifizierungskomponente für ein globales Rentenportfolio sollte diese unterbewertete Anlageklasse bei dem günstigen fundamentalen Umfeld eine wachsende Fangemeinde finden.